Band 11
Opfer des DDR-Dopingsystems. Teil 2
Eine Dokumentation von 52 Lebensgeschichten. Teil 2: Methodische Aspekte und Schadensbilanzen
24,80 €
inkl. gesetzl. MwSt.Beschreibung
Details
Einband
Kunststoff-Einband
Erscheinungsdatum
07.01.2019
Verlag
Sportverlag StraußSeitenzahl
206
Maße (L/B/H)
21,4/14,9/1,2 cm
Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur förderte die Dokumentation von DDR-Dopingfolgen in einer großen Stichprobe von 52 Lebensschicksalen aus 24 Disziplinen in den Sportarten Leichtathletik, Turnen, Eiskunstlauf, Biathlon, Skilanglauf, Skisprung, Nordische Kombination, Schwimmen, Radsport, Judo, Volleyball, Ringen, Gewichtheben, Rudern und Kanurennsport. Im Teil 2 stehen methodische Aspekte zur Untersuchung sowie ausgewählte Schadensbilanzen im Mittelpunkt. Weitere Interviews zeigen Lebenswirklichkeit und die Vielfalt an Schadensarten, auch für die Kinder der Dopingopfer. Die Ergebnisse schärfen den Blick für die Folgen einer entfremdeten Körpertechnologie und für die Grenzen menschlicher Leistung. Geschädigten wird die Einordnung Ihrer Leiden ermöglicht und sie werden darin unterstützt, bei geeigneten Einrichtungen Hilfe zu suchen.
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Beweise eines menschenverachtenden Gesellschaftssystem
Bewertung aus Ober-Ramstadt am 19.02.2021
Bewertungsnummer: 1438190
Bewertet: Buch (Kunststoff-Einband)
Die beiden Teile der Dokumentation von 52 Lebensgeschichten sind schockierend und können einen sprachlos machen. Es geht um das Zwangsdoping an minderjährigen Jugendlichen, das zudem noch ohne ihr und ihrer Eltern Wissen durchgeführt wurde. Mit anderen Worten, es geht in den Büchern um tausendfach und systematisch ausgeübte Menschenversuche, und den daraus resultierenden Schäden, die sich für die Sportler in der Zukunft und darüber hinaus noch an ihren Kindern ergeben haben, sofern sie nicht schon an Kinderlosigkeit litten oder Fehl- und Totgeburten ertragen mussten.
Der Staat DDR, der gar nicht laut genug propagieren konnte, dass er die menschlichere Alternative gegenüber dem „Westen“ ist, stellte sich mit diesen menschenverachtenden Praktiken selbst ins Abseits. Letztlich war es in Bezug auf den Sport ein dreifacher Betrug: zum ersten an den Sportveranstaltungen, deren Ergebnisse in den siebziger und achtziger Jahren wert- und bedeutungslos geworden sind, sofern Sportler aus der DDR erfolgreich waren, zweitens an den Sportlern selbst, die nie erfahren werden, zu welchen sportlichen Leistungen sie ohne Doping fähig gewesen wären, und drittens an den Zuschauern, die mit solchen unkorrekten Mitteln zum Besten gehalten wurden.
Allein schon bei dieser Thematik zeigt sich, welche Berechtigung es hatte, dass die Menschen, die in diesem Gesellschaftssystem lebten, dieses 1989 schließlich abschafften, - wenn das auch aus anderen Gründen geschah, da sie von dem flächendeckenden Dopingmissbrauch nichts wussten und im Rausch der sportlichen Erfolge auch gar nichts ahnten.
Indes, dies sei in aller Deutlichkeit ebenso gesagt, das vereinigte Deutschland hat sich keineswegs besser verhalten, wenn aus der Studie herauszulesen ist, dass viele Funktionäre, Ärzte und Trainer trotz nachgewiesenen Verbrechens an minderjährigen Menschen weiter in ihren angestammten Positionen für den Garant sportlicher Erfolge tätig sein konnten. Und das Rechtssystem in Deutschland hat sich darüber hinaus sittlich selbst disqualifiziert, wenn die lächerlichen Strafen für die Hauptzuständigen der Dopingvergabe, die übrigens von den möglichen Schäden wussten und diese ignorierten, im Verhältnis zu ihren menschenunwürdigen Verantwortungslosigkeiten gesehen werden. Und ihre Reaktionen auf die Verurteilungen zeigen ja auch, dass sie sich durch das Strafmaß ihres menschenverachtenden Tuns gar nicht bewusst werden, was aber eigentlich das gesellschaftstragende Ziel der Rechtsprechung sein sollte.
Giselher Spitzers Arbeiten sind auch in der Hinsicht wertvoll, dass sie in unmissverständlicher Art klar machen, dass es sich bei den Sportlern um Missbrauchsopfer handelt, egal ob sie dadurch dauerhaft geschädigt wurden oder nicht, ob sie darüber sprechen können oder das Thema vielleicht aus Scham verdrängen.
Und letztlich erheben diese Gespräche auch ethische Fragen des modernen Sports im Allgemeinen. Ist es gerechtfertigt, Leistungen anzutrainieren, ob aus politischem oder finanziellem Anreiz, die das Maß des körperlich Erträglichen bei weitem übersteigen und oft gesundheitliche und seelische Folgeschäden nach sich ziehen. Diese Frage müssen sowohl Sportler, Trainer als auch Zuschauer beantworten, wollen sie die Sportaktivitäten, wie sie heute noch ausgeführt werden, weiterhin rechtfertigen.
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