Nominiert für den Debütpreis der lit.COLOGNE 2020.
Elija ist die älteste der Schwestern, ihre Augen, von einer großen Lidfalte beschützt, blicken auf das Schöne in der Welt. Sie liebt das Theater, wenn sie die Hagar spielt, die in die Wüste geschickt wird, allein mit einem Kind im Bauch. Auf der Bühne kann Elija Mutter sein, in echt kann sie das nicht. Noa jobbt in einer Kantine. Jeden Tag hofft sie auf Akim, der hoch oben in dem Glasturm mit Elbblick arbeitet. Sie können über vieles sprechen, die Exmatrikulation, ihre Ostasienreisen, nur nicht darüber, wohin sie geht, wenn ihre Schicht in der Kantine vorbei ist. Loth, die Jüngste, ist schön wie eine Statue. Und sie ist wütend. Bei Demos wird sie als Nazi beschimpft, sie selbst hält die Linken für Meinungsfaschisten. Sie ist in die patriotische Hausgemeinschaft in Halle gezogen, um zu kämpfen. Die Wanderung war Loths Idee. Die Idee, noch einmal Schwestern zu sein. Das Moor zu durchqueren und auf dem Berg das Lied zu singen, das ihr Vater für sie gedichtet hat. Doch wie die Schwestern ist auch das Moor nicht mehr dasselbe. Einen Tag verbringen sie zusammen, allein mit sich und den Erinnerungen, die selbst das Moor nicht schlucken kann, mit all dem Morast und Torf, und es gibt nichts, was Halt verspricht. Amanda Lasker-Berlin beherrscht die Kunst der Verdichtung, das Spurenlegen, das Erzeugen von stärker werdenden Schwingungen bis hin zum Paukenschlag. Ihre fließende, konzentrierte Sprache, ihr Vertrauen auf die Kraft ihrer Figuren sowie die Empathie und Unaufgeregtheit, mit der sie brisante gesellschaftliche Themen mit individuellen Schicksalen engführt, zeugen von dem großen Talent der Debütautorin.
Sabrina Tschorn - Aus Liebe zum Lesen Literaturblog am 20.10.2023
Bewertungsnummer: 2047595
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Drei Schwestern begeben sich auf eine Wanderung, um ihre Verbundenheit in der Kindheit wiederzufinden. Noa und Loth scheinen in ihrem Leben vom rechten Weg abgekommen zu sein. Elija, die mit Trisomie 21 geboren wurde, geht voll in der Schauspielerei auf.
Die Geschichte beginnt spannend und hat durchaus Potenzial. Amanda Lasker-Berlins Schreibstil macht das Lesen allerdings schwer. Zum einen verzichtet sie auf die Kennzeichnung direkte Rede, zum anderen finden Zeitsprünge, sowie der Wechsel der Erzählperspektive teilweise sogar mitten im Absatz statt. In Maßen eingesetzt, sind solche Spielereien mit der Sprache interessant, hier wird allerdings der Lesefluss unheimlich gestört.
Ich konnte leider keine Nähe zu den Protagonistinnen herstellen, am ehesten ist das noch zu Elija gelungen, während vor allem Noa sehr diffus bleibt. Aus meiner Sicht sind die Charaktere nicht richtig herausgearbeitet. Aber auch die Geschichte ist aus meiner Sicht nicht auserzählt und so bleibe ich mit gemischten Gefühlen zurück.
Ein starkes & eindrückliches Debüt, das einen noch lange beschäftigt...
Lia48 am 19.12.2020
Bewertungsnummer: 1416741
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
INHALT:
Elija, Noa und Loth haben sich auseinandergelebt. Als Kinder waren sie gerne mit den Eltern auf dem Berg im Moor. Nun, als junge Erwachsene, beschließen die Schwestern nach Jahren, erneut zusammen hinzuwandern.
Loth hat es mittlerweile nach Halle in eine patriotische WG verschlagen, in der sie mit den anderen Bewohnern ihre rechte Gesinnung teilt. Gemeinsam drehen sie Videos, starten diverse Aktionen und feiern ihre Klickzahlen. Loth findet die Natur langweilig, trotzdem war die gemeinsame Wanderung ihre Idee. Aber nichts im Moor ist mehr so, wie sie es in Erinnerung hat…
Noa lebt in Hamburg, arbeitet nebenbei in einer Kantine und über ihr sitzt Akim im Glasturm, mit dem sie gerne Zeit verbringt. Ihre Berufung sieht Noa jedoch mehr in der Arbeit, die sie in Pflegeheimen als „Begleiterin“ bei älteren Herren leistet. Nur auf diese Weise kann sie sich selbst überhaupt noch spüren…
Elija liebt das Theaterspielen und das Tanzen. Sie mag die verblüffenden Blicke der Zuschauer, wenn sie ihr das nicht zugetraut hätten. Außerdem kann Elija auf der Bühne Mutter sein, was ihr im wahren Leben verwehrt ist. In ihrer WG lebt auch Mio, dessen Augen noch enger beieinanderliegen, als ihre eigenen. Ihre Augen „sind klein, werden von einer großen Lidfalte geschützt“. „Ihre Finger sind grob. Sie ist nicht so geschickt.“ Und manchmal kann man sie schlecht verstehen.
Früher waren sie in ihrer kleinen Stadt die Familie vom Waldrand. Die, mit dem behinderten Kind. Doch die Lebenswege der Schwestern sind seitdem so unterschiedlich verlaufen… Ob sie sich einander wieder annähern können?
MEINUNG:
Mit den Schwestern rückt Autorin Amanda Lasker-Berlin drei interessante, aber ganz unterschiedliche Figuren in den Mittelpunkt der Geschichte.
Die „klapprige“ und meistens mies gelaunte Loth, die sehr auf ihr Äußeres bedacht ist, gerne bewundert wird und ihren Geschwistern beim Wandern auch mal absichtlich in die Fersen tritt. Als Leser kann man schon mal ziemlich wütend auf sie werden. Spätestens, als sie bei einer Ansprache vor rechtsgesinntem Publikum herabwürdigend über ihre Schwester mit Trisomie 21 spricht, wäre mir beinahe der Kragen geplatzt („Meine Eltern halten sich für tolerant und liebevoll, weil sie meine behinderte Schwester nicht abgetrieben haben. Aber ist es wirklich lieb von ihnen, dieses Wesen in einer Welt, in die es nicht gehört, vor sich hin vegetieren zu lassen?“ (S. 217 f.)). Wie kann man nur so wütend auf seine Schwester und die ganze Welt sein?
Noa fühlt sich leer und versucht bei ihrer Tätigkeit als „Begleiterin“, sich über andere zu spüren. Auch hier bietet Lasker-Berlin Zündstoff für ethische Diskussionen.
Im Gegensatz zu Loth, schien mir Noa deutlich aufmerksamer und hilfsbereiter bzgl. Elija zu sein.
Elija entpuppt sich als der Sonnenschein, und die Person, die einem wohl am meisten in diesem Buch ans Herz wächst. Schon allein, wie sie anfangs das Problem mit dem Knoten in den Schnürsenkeln ihrer neuen Wanderstiefel auf ihre Weise löst, lässt sie liebenswert erscheinen. Man muss sie einfach gerne haben. Sie wirkt in manchen Situationen recht kindlich und gleichzeitig so lebendig – einfach toll beschrieben! Dass Elija niemals Mutter sein kann, belastet die junge Frau, die bereits eine Zeit lang ein Kind in sich getragen hat. Viele Szenen mit ihr haben mich sehr bewegt, manche waren bezaubernd, andere traurig und wieder andere haben mich zum Schmunzeln gebracht. Für mich hat Elija so viel Ehrlichkeit ausgestrahlt!
Insgesamt werden durch die Schwestern schwere Themen wie u. a. Essstörung, Rechtsextremismus, Prostitution & Verlust eines ungeborenen Kindes behandelt, wofür ich an dieser Stelle eine TRIGGERWARNUNG aussprechen möchte! Dadurch ist das Buch stimmungsmäßig ziemlich melancholisch.
Das Ende hat mich fassungslos und nachdenklich zurückgelassen. Erst dachte ich, dass mir der Schluss zu konstruiert ist. Aber dann wurde mir klar, dass er vermutlich genau so sein muss, um wachzurütteln…
Mich hat der Inhalt anschließend noch lange beschäftigt und zum Nachdenken angeregt. Um das Verhalten der Figuren besser nachvollziehen zu können, hätte ich mir noch mehr Infos zur Kindheit der Geschwister und zu den Eltern gewünscht. Das ist aber mein einziger kleiner Kritikpunkt.
Denn auch sprachlich gesehen, hat mich das Buch sehr begeistert. Es sind immer wieder so schöne, manchmal auch beinahe poetisch wirkende Sätze dabei (z. B.: „Noa nimmt den Kopf aus den Wolken“, als sie das Beobachten der Wolken am Himmel beendet). Der Schreibstil wirkt sehr bildlich und atmosphärisch. An die vielen kurzen Sätze ohne wörtliche Rede habe ich mich schnell gewöhnt.
Für mich fing das Buch recht ruhig an. Mit der Zeit hat es mich aber immer mehr gepackt, bis ich regelrecht in die Zeilen hineingezogen und darin festgehalten wurde.
FAZIT: Amanda Lasker-Berlin ist es in ihrem Debüt gelungen, zahlreiche bedeutende Themen zur Sprache zu bringen. Für mich ist dies ein Buch, welches sich kaum in Worte fassen lässt. Mich hat es tief beeindruckt und ich werde wohl noch lange daran zurückdenken.
Ich wünsche dem Buch, dass es noch auf viele weitere Leser trifft, denen es damit auch so gehen wird und ich bin gespannt, was wir von der Autorin die nächsten Jahre noch zu lesen bekommen werden. Für „Elijas Lied“ gibt es von mir 4,5-5/5 Sterne!
Nominiert für den Debütpreis der lit. COLOGNE 2020
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Früher waren sie die Familie vom Waldrand, die Familie mit dem behinderten Kind. In der ostdeutschen Kleinstadt kannte sie jeder. Die Schwestern Elija, Noa und Loth sind in ihrer Kindheit mit ihren Eltern im Moor unterwegs gewesen.
Äußerlich und charakterlich grundverschieden, driften die Schwestern als Erwachsene auseinander, ihre emotionale Bindung zerbricht. Und doch werden sie gemeinsam für einen Tag das Moor durchwandern, sich erinnern, an das was einmal war.
Während dieses einen Tages erörtert jede der Schwestern die wichtigen Dinge ihres Lebens. Teilweise empfand ich die Gedankengänge, die rücksichtslose Selbstbeobachtung zutiefst verstörend.
Empathie, Ratlosigkeit, manchmal Entsetzen machte sich breit, beherrschte mein Denken und Fühlen.
Bildgewaltig. Flirrende, fiebrige Atmosphäre. Literarisch ausdrucksstark, beeindruckend.
Was für ein Debüt!
3 Schwestern, 3 so verschiedene Lebensentwürfen - nach langer Zeit verbringen sie einen gemeinsamen Tag mit einem Ausflug in die Natur ihrer Kindheit.
Dicht erzählt und sprachlich absolut gelungen liest & lebt man hier von Seite zu Seite gespannt mit. Toll!
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