Nach ihrem Debüt „Vater unser“ das neue Buch von Angela Lehner: Ein großer Roman über Freundschaft und die Abgehängten in der österreichischen Provinz im Jahr 2001 – voller Komik und mit einem unverwechselbaren Sound.
Es ist das Jahr 2001, und im Tal ist alles wie immer. Die Berge sind schroff, die Touristen unersättlich, die Jugendlichen auf der Suche nach Alkohol und Abenteuern und die Eltern abwesend. Eine Zukunft hat hier keiner, am allerwenigsten Julia, die in der Hauptschule zum sogenannten Restmüll gehört, was ihr egal ist – denn für sie zählt nur eins: Hip-Hop und der Zusammenhalt ihrer „Crew“. Bis ihr Geschichtslehrer eines Tages die ganze Klasse zwingt, an einem politischen Experiment teilzunehmen, und damit eine Lawine an folgenschweren Ereignissen lostritt.
2001 ist ein Roman über Freundschaft und das Einbrechen der Weltpolitik in eine Jugend ohne Gott – geschrieben von einer der originellsten Autorinnen unserer Gegenwart.
Die 15-jährige Hauptschülerin Julia hat es nicht leicht. In der österreichischen Provinz hat sie nur ihre Freund:innen der "Crew", aber keine Perspektive. In einem Experiment im Geschichtsunterricht soll sie die UNO spielen. Doch während ihre Mitschüler:innen immer stärker in ihren Rollen aufgehen, bleibt Julia tatenlos - und gerät mehr und mehr ins Abseits.
"2001" von Angela Lehner ist ein außergewöhnlicher Coming-of-Age-Roman mit einer liebenswerten (Anti-)Heldin, die man so schnell nicht vergisst. Der Roman erzählt - eben im Jahr 2001 - von Julias letztem Jahr in der Schule und ganz nebenbei vom politischen Weltgeschehen dieses so unvergessenen Jahres. Doch im Vordergrund steht ganz klar Julias Entwicklung. Ihre zunächst so intensiven Freundschaften mit der "Crew", verbunden durch die gemeinsame Liebe zum Hip-Hop, zarte Liebesbemühungen auf der Suche nach dem ersten Freund oder auch die gegenseitige Unterstützung mit ihrem großen Bruder Michael - Angela Lehner konzentriert sich ganz auf die Perspektive ihrer jungen Erzählerin.
Dies ist zugleich Stärke und Schwäche des Romans, denn einerseits kommt man Julia dadurch als Leser:in sehr nah, andererseits sieht man eben nur das, was auch Julia sieht. Und das ist in einigen Momenten sehr wenig. Geschickt spielt die Autorin hier mit den Erwartungen der Leser:innen. Wird das Geschichts-Experiment ausarten wie einst "Die Welle"? Wie verhält sich Julia hinsichtlich des aufkommenden Rechtsradikalismus in ihrer Heimatstadt, dem Tal? Und was ist eigentlich mit ihren Eltern los?
Nach und nach werden diese Fragen beantwortet. Erstaunlich dabei ist, dass an einigen Stellen von "2001" sehr wenig passiert und ich mich trotzdem nie langweilte. Denn gerade diese Tatenlosigkeit Julias und ihre fehlende Perspektive werden zu den zentralen Themen der Geschichte.
Angela Lehner schaffte es, mich zum Weinen und zum Lachen zu bringen. Berührt schlug ich mich bedingungslos auf Julias Seite und hoffte ein ums andere Mal, es möge gut für sie ausgehen. Bei aller Ernsthaftigkeit und Tragik vergessen Lehner und Julia aber nie ihren Humor, der oftmals ein wenig melancholisch, aber immer ehrlich wirkt.
Zudem überzeugt "2001" mit seiner eindringlichen und authentischen Figurenzeichnung, auch in den Nebenfiguren. Nicht nur in den Rollen im Geschichtsunterricht, sondern vor allem im "wahren Leben" stimmt diese Mischung aus Langeweile, Planlosigkeit, einem derben jugendlichen Slang und einem großen Herzen.
So ist "2001" ein Roman, der lange nachwirkt und im Gedächtnis bleibt. Mit Traurigkeit und Humor, mit zahlreichen Überraschungen - und mit Julia, einer der bemerkenswertesten und liebenswertesten Figuren, die mir in diesem Literaturjahr begegnet sind.
Das Glück in die Ecke drängen
Bewertung aus Hamburg am 26.09.2021
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Nicht jeder wird auf der Sonnenseite des Lebens geboren. Manche müssen das Glück in die Ecke drängen und es regelrecht zwingen bis es nicht mehr ausweichen kann. Die 15-jährige Julia ist so ein Mensch. Sie lebt in der österreichischen Provinz dort wo die Touristen Urlaub machen. Arbeitsplätze außerhalb des Tourismus sind rar und seit auch noch die Fabrik geschlossen wurde, hat sich die Situation für viele Menschen in Tal verschärft. Ich-Erzählerin Julia kommt aus schwierigen familiären Verhältnissen, ihr letztes Jahr an der Hauptschule versucht sie irgendwie hinter sich zu bringen; sie hat Null-Bock auf Schule, läuft Gefahr, ihren Schulabschluss nicht zu schaffen. Julias Herz schlägt für ihre Crew (ihren Freundeskreis), für Hip Hop und Rap; sie träumt davon, entdeckt zu werden und wie ihre großen Idole Texta, Eminem und Cypress Hill die Bühne und auch VIVA zu erobern. Während zu Beginn des Jahres die Crew noch zusammenhält, die Jugendlichen vor allem abhängen, rauchen, saufen, beatboxen und rappen, beginnen im weiteren Jahresverlauf Freundschaften zu bröckeln. Dafür sind nicht nur Eifersüchteleien und Liebeskummer verantwortlich, sondern auch eine Aufbruchstimmung, von der nur Julia seltsam unberührt zu sein scheint. Während alle Zukunftspläne schmieden, sich auf Prüfungen vorbereiten oder anderen Gruppen anschließen, dümpelt Julia haltlos durch die Gegend und nervt zunehmend auch ihre Freund*innen durch ihre Perspektiv- und Antriebslosigkeit. Auch das große politische Experiment des Geschichtslehrers, bei dem die Schüler*innen die Rolle wichtiger Akteure der Weltpolitik einnehmen sollen, bleibt nicht folgenlos für Julias Freundeskreis und die Klassengemeinschaft.
Angela Lehner nimmt uns mit in das Jahr 2001 mit seinen ratternden, langsamen Modems, seinen Tastenhandys, der Musikkultur (vor allem Rap und Hip Hop) und der Euro-Einführung. Auch andere bedeutsame und erschütternde Ereignisse des Jahres wie z.B. ein erstarkender Rechtspopulismus, der Nahost-Konflikt, Miloševićs Völkermord, BSE und der Terroranschlag vom 11. September werden eingeflochten. Der Roman liest sich trotz vieler österreichischer Begriffe flüssig. Die oftmals derbe und unreflektierte Sprache der Jugendlichen empfand ich als stimmig für die damalige Zeit und die Mitglieder der Crew. Julias Perspektivlosigkeit und Lethargie, aber auch ihr Mangel an Geborgenheit und ihre Sehnsucht nach Zugehörigkeit haben mich berührt. Immer wieder spielt Angela Lehner mit der Erwartungshaltung ihrer Leser*innen; der Roman hat mich mehr als einmal überrascht . Unter der Oberfläche steckt in „2001“ vor allem auch Gesellschaftskritik, die zuweilen ernst, manchmal aber auch humorvoll, dann wieder subtil und beinahe beiläufig daherkommt. Der Roman lässt sich ferner als Anklage an das Nichtstun, das Wegsehen von Verantwortlichen lesen und zeigt wie wichtig Freundschaft und echt gemeinte Unterstützung im Leben sind. 2001 ist eine Zeitreise, bei der deutlich wird, dass trotz enormer Veränderungen doch vieles gleich geblieben ist.
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Perspektivlosigkeit in der österreichischen Provinz
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Das Ende der Kindheit, der Übertritt in das Erwachsensein, die Reifung des Körpers. Alles scheint auf einmal zu geschehen, was gestern aktuell war, ist heute schon komplett anders. Die Pubertät ist die Zeit der Rebellion, denn plötzlich sind alle gegen einen: die Familie, gewisse andere Autoritäten, die Obrigkeit sowieso. Nur gut, dass man sich wenigstens auf seine Freunde verlassen kann. Scheinbar.
Jedoch nicht in Angela Lehners »2001«. Denn was zunächst wie eine Geschichte über wahre Freundschaft und Zusammenhalt anmutet, entwickelt sich schnell zu einer Erzählung des Scheiterns. In jungen Jahren. Im Mittelpunkt von Lehners zweitem Roman steht die 15-jährige Ich-Erzählerin Julia, selbsternannter „Restmüll“ und Teil einer Clique, welche im österreichischen Provinzstädtchen Tal in den Tag hineinlebt. Wenn sie nicht gerade die Hauptschule schwänzt, besteht ihr Dasein aus Hip-Hop, Alkohol und unerfüllten sexuellen Sehnsüchten. Zukunft? Vollkommen egal! Die Perspektivlosigkeit ist ihr ständiger Begleiter. Solange, bis ihr übereifriger Geschichtslehrer mit einem Unterrichtsexperiment das ganze Gebilde zu Fall bringt. Julias Leben und vor allem ihre Freundschaften, werden auf eine harte Probe gestellt – an welcher sie zu zerbrechen droht.
Angela Lehner ist mit ihrer Geschichte über das Erwachsenwerden in der alpinen Bergwelt ein fulminanter Roman gelungen. Sprachlich authentisch und gespickt mit zahlreichen popkulturell-musikalischen Referenzen an die früher 2000er-Jahre, lässt sie Julia kompromisslos ehrlich von der elterlichen Vernachlässigung und vom tristen Aufwachsen in der Provinz erzählen. Das Besondere dabei ist, dass die Leser:innen bis zur letzten Seite ahnungslos bleiben, in welche Richtung sich die im Epochenjahr 2001 angesiedelte Geschichte entwickeln wird. Überraschungen sind garantiert. »2001« ist ein sehr lesenswerter und politischer Coming-of-age-Roman, der das Konstrukt der wahren Freundschaft in Frage stellt und die Wurzeln der gesellschaftlichen Probleme von heute schonungslos offenbart.
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Nach ihrem Debüt "Vater unser" (das übrigens auch sehr zu empfehlen ist), erscheint endlich der zweite Roman von Angela Lehner. Das Gefühl, das sich bei der Lektüre einstellt, lässt sich für mich am ehesten mit einer melancholischen Albernheit beschreiben. Auf der einen Seite bekommt man grandiose Situationskomik vorgesetzt, die aber im nächsten Moment tiefere, tragische Implikationen mit sich bringt. Diese Verschränkung beherrscht die Autorin wirklich meisterhaft und somit gehört '2001' absolut zu meinen Lieblingsbüchern in diesem Jahr.
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