Goethe kommt zurück aus der Schweiz und hat zu Hause in Weimar plötzlich eine Schreibblockade. Da kann sein kleiner Sohn August noch so still sein und seine Frau Christiane noch so liebevoll um sein Wohl besorgt. Ausgerechnet sein Schwager Christian August Vulpius, ebenfalls Schriftsteller und von Goethe verachteter Viel- und Lohnschreiber, kommt ihm in dieser Situation zu Hilfe. Zu einer Hilfe, die Goethe nicht will und doch dringend braucht.
Das erste Buch, das ich im neuen Jahr 2024 gelesen habe, war schon mal ein absoluter Volltreffer und zwar an Intellekt, Unterhaltung und Witz: “Rauch und Schall” - eine Anlehnung an einen Vers aus Goethes “Faust” (“Name ist Schall und Rauch”) - von Charles Lewinsky aus dem Diogenes Verlag.
Ein Mann in der Mitte des Lebens, der aufgrund seiner dichterischen Tätigkeit hohes Ansehen genießt und den die kulturbeflissene Öffentlichkeit gar ein Genie heißt. Was macht nun dieser Mann, wir nennen ihn Goethe, wenn ihn sowohl der geheimrätliche After (in Form von Hämorrhoiden) schmerzt, als auch eine Schreibblockade plagt? Leiden, aber still, denn beide Probleme sind nur allzu tabuisiert…
Wir schreiben das Jahr 1796 (erschlossen anhand der erwähnten, aus Goethes Leben bekannten Fakten, denn im Roman gibt es keine konkreten Zeitangaben). Goethe ist auf der Rückkehr nach Weimar. Er war mal wieder auf einer seiner Schweizer Reisen, auf denen er seltene Quarzite und Inspiration für neue dichterische Werke sammeln wollte. Zumindest ersteres ist ihm gelungen. Zuhause erwarten ihn also nun seine Lebensgefährtin Christiane Vulpius und das einzige überlebende Kind der beiden, der siebenjährige Sohn August sowie viele leere Blätter, die von ihm oder dem Secretarius Geist qua Diktat beschrieben werden wollen. Was Goethe in dieser Situation gar nicht gebrauchen kann: Zum einen, einen Auftrag des Weimarer Herzogs Carl August (mein bescheidener Vorschlag: Ein Trinkspiel jedes Mal wenn das lustige Wort “Serenissimus” im Text vorkommt) für ein Festgedicht anlässlich des baldigen Geburtstags seiner Gemahlin. Zum anderen, einen sehr selbstbewussten und redegewandten Schwager namens Christian August Vulpius, seines Zeichens schlecht bezahlter Bibliotheksregistrator und Schriftsteller von Trivialliteratur, aus dem die Einfälle und Ideen für seine in Goethes Augen minderwertigen Bücher nur so fließen.
Als eine Person, die Neuere deutsche Literatur im Hauptfach studiert, sich viel mit der Weimarer Klassik auseinandergesetzt hat und schon öfters im wunderschönen Weimar war, habe ich schon einen gewissen Wissensvorsprung gehabt, vor allem was Goethes Lebenssituation angeht. Mir war z.B. bewusst, dass Goethe einen Schwager hatte, der Trivialliteratur verfasste und dass er nur einen überlebenden Sohn hatte. Auch der “Rinaldini” verstaubt in der zweiten Reihe in einem meiner Klassiker-Regale. Aber auch wenn man all diese Vorabinformationen nicht hat, kann man wunderbar eintauchen in dieses Buch, denn alles, was man zum Verständnis wissen muss, wird einem erklärt - ob man “weimaraffin” ist oder auch nicht.
Die Figurenzeichnung in diesem Buch ist einfach hilarious - mir fällt kein passendes deutsches Wort ein, vielleicht ist Goethes Wortschöpfungskrise auf mich übergesprungen - und könnte nicht mehr auf den Punkt sein in einer Fiktion, die sich in die Realhistorie eingenistet hat. Nach der Lektüre will man einfach, dass es genau so gewesen ist und dass Goethe, Christiane und Christian August Vulpius sowie der “Serenissimus” Carl August genau so gesprochen und agiert haben wie in diesem Roman. Der Humor des Autors ist genau meiner, subtil und britisch und immer auf den Punkt. Ich habe die Lektüre einfach genossen, anders kann ich es nicht sagen. Schwere Themen werden gekonnt umschifft oder so verpackt, dass sie ihre Schwere verlieren. Ein wunderbar unterhaltsames Buch, nicht nur aber natürlich auch besonders für “Goethezeitliebhaber:innen”.
Die einzige Sache, die man an diesem Romam kritisieren darf und muss ist die Tatsache, dass er viel zu schnell vorbei ist. Nein, das darf nicht sein. Ich wünsche mir bitte eine oder mehrere Fortsetzungen mit anderen Situationen in Goethes Leben aus Ihrer Feder, Herr Lewsinky. Oder vielleicht mit Schiller als Hauptfigur, ich kann den Odeur der verfaulten Äpfel förmlich riechen. Wenn Sie das lesen, setzen Sie sich also bitte ins Gartenhaus und schreiben drauflos bzw. einfach weiter, in bester Vulpius’scher Manier: Nicht dichten, sondern schreiben - hoc est motto.
Klappentext:
„Goethe kommt zurück aus der Schweiz und hat zu Hause in Weimar plötzlich eine Schreibblockade. Da kann sein kleiner Sohn August noch so still sein und seine Frau Christiane noch so liebevoll um sein Wohl besorgt. Ausgerechnet sein Schwager Christian August Vulpius, ebenfalls Schriftsteller und von Goethe verachteter Viel- und Lohnschreiber, kommt ihm in dieser Situation zu Hilfe. Zu einer Hilfe, die Goethe nicht will und doch dringend braucht.“
Goethe ist von einer Krankheit heimgesucht worden! Er hat eine Schreibblockade oder wie er es nennt „eingetrocknete Gedankentinte“. Man hat es kaum für möglich gehalten und er wohl am aller wenigsten aber so ist es nun. Und dann muss er auch noch Hilfe von einem Menschen annehmen, den er nicht sonderlich achtet: sein Schwager Vulpius, der Ehegatte seiner Schwester. Es scheint für Goethe wahrlich nicht leicht aber er springt über seinen Schatten. Autor Charles Lewinsky schaffte nicht nur wieder eine humorvollen Roman sondern auch einen recht scharfsinnigen. Er beleuchtet Goethe recht intensiv und zeigt eben auf, dass man auch Schwächen hat und diese auch zeigen darf und kann aber es muss auch bei einem selbst ankommen. Man muss es selbst akzeptieren und da gehört eine Menge Courage dazu. Wie gesagt, steckt hier auch eine gute Portion Humor im Text und es war ein Genuss a la Charles Lewinsky dieses Buch zu lesen. Hierfür vergebe ich 4 sehr gute Sterne!
Charles Lewinsky schafft es den alten Weimarer Universalgelehrten innerhalb weniger Seiten direkt menschlich werden zu lassen.
Mit ganz "normalen" Schwächen ( z.B. Hämorrhoiden nach einer langen Reise, Schreiblockade oder auch die Angst vor dem leeren Blatt) entwickelt Lewinsky ein Bild eines manchmal verzweifelten Goethe, der seinen "Chef" versucht zufrieden zu stellen und seinen Abgabetermin für ein Stück einzuhalten.
Mit viel Fantasie und einer Portion Humor erweckt Lewinsky Goethe in einer lesenswerten Geschichte rund um das Thema Plagiat wieder zum Leben.
5 Sterne gibt es von mir, weil Charles Lewinsky wahre biografische Rahmendaten aus Goethes Lebensgeschichte mit einer wunderbar ausgeschmückten Geschichte verbindet und so ein realistisches Bild von Goethes Leben und dem Leben generell in Weimar im ausgehenden 18. Jahrhundert entwickelt und in ein unterhaltsames Buch verpackt hat.
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Diese Geschichte lässt den Leser Goethe mal als normalen Menschen erleben, mit Hämorrhoiden, Schreibblockade und jeder Menge Frust. Unglaublich unterhaltsam und nicht nur für Fans der Weimarer Klassik ein Tipp.
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