Bittersüß und zutiefst politisch schreibt Dmitrij Kapitelman in seinem neuen Roman über Familie und die (Un-)Möglichkeit der Verständigung in Zeiten alter und neuer Kriege.
Eine Familie aus Kyjiw verkauft russische Spezialitäten in Leipzig. Wodka, Pelmeni, SIM-Karten, Matrosenshirts – und ein irgendwie osteuropäisches Zusammengehörigkeitsgefühl. Wobei, Letzteres ist seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht mehr zu haben. Die Mutter steht an der Seite Putins. Und ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, aber auch keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Klug ist es nicht von ihm, mitten im Krieg in die Ukraine zurückzufahren. Aber was soll er tun, wenn es nun einmal keinen anderen Weg gibt, um Mama vom Faschismus und den irren russischen Fernsehlügen zurückzuholen? Ein Buch, wie nur Dmitrij Kapitelman es schreiben kann: tragisch, zärtlich und komisch zugleich.
Dmitrij fährt in die Ukraine. Er selbst ist dort geboren und seine Familie stammt zumindestens zum Teil von dort. Er hat 30 Jahre in Deutschland gelebt und mit den Eltern in Leipzig ein Magazin/einen Laden geführt. Mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine wird seine Mutter mehr und mehr eine russland-hörige Putin-Bewunderin. Sie verfällt völlig dem russischen Fernsehen und der entsprechenden Propaganda. Ihr Sohn versucht, sie mit Argumenten zu überzeugen. Doch das ist sinnlos. Also will er sich selbst ein Bild in der Ukraine machen.
Das Buch ist hochaktuell und erzählt aus der Sicht einer russisch- ukrainischen Familie die Probleme, die innerfamiliär mit dem Krieg aufkommen. Allerdings ist es für mich schwierig zu bewerten. Anfangs fand ich die speziellen sprachlichen Mittel teilweise sehr lustig, doch irgendwann nutzte sich das etwas ab und mit sprechenden Fischen konnte ich so gar nichts anfangen. Auch die relativ einseitige Beurteilung von Deutschland fand ich weniger gut. Hier hätte ich mir mehr Ausgewogenheit gewünscht. Am besten hat mir der Teil in der Ukraine gefallen. Dort wurde vieles relativiert und Propaganda auf beiden Seiten aufgedeckt, gleichzeitig aber auch die Schrecken des Krieges deutlich gezeigt. Hier liegt für mich das Besondere an dem Buch. Mit einer Leseempfehlung tue ich mich etwas schwer, möchte aber auch niemanden vom Lesen abhalten.
*Ein humorvoller Blick auf kulturelle Wurzeln und politische Gräben*
bookloving am 10.05.2025
Bewertungsnummer: 2487588
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Mit seinem neuen beeindruckenden Roman "Russische Spezialitäten" beweist Dmitrij Kapitelman erneut sein Talent, bewegende persönliche und schwierige politische Themen unterhaltsam und höchst humorvoll zu vermitteln.
Eindringlich beleuchtet er aktuelle, vielschichtige Themen wie Familie, Zugehörigkeit, Herausforderungen des Lebens zwischen Kulturen und Entwurzelung sowie politische Spaltung in den angespannten Zeiten des Krieges.
Der 1986 in Kiew geborene Autor, der als Kind mit seiner Familie als jüdische Einwanderer nach Deutschland kam, greift erneut auf Erlebnisse und Erfahrungen aus seiner eigenen Lebensgeschichte zurück und lässt diese in seinen stark autobiografisch geprägten Roman einfließen.
Im Mittelpunkt der zweigeteilten Geschichte steht der junge Protagonist und Ich-Erzähler Dima, dessen ukrainischstämmige Familie in Leipzig einen Laden für russische Spezialitäten betreibt. Seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine befindet sich Dima als explizierter Putin-Gegner in einem unlösbaren Dilemma, denn während er sich mit seiner ukrainischen Heimatstadt Kiew verbunden fühlt, schlägt das Herz seiner geliebten Mutter unverändert für Russland. Der schwelende innerfamiliäre Konflikt führt zu einer wachsenden Kluft zwischen Dima und seiner Mutter, die sich seiner Meinung nach zuviel von russischer Propaganda beeinflussen lässt. In die Rahmenhandlung hat Kapitelman geschickt rückblickende Episoden mit unterhaltsamen Erlebnissen rund um den Laden seiner Eltern eingeflochten.
Im zweiten, deutlich ernsteren und beklemmenderen Teil begleiten wir den Protagonisten auf einer emotional aufreibenden Reise in seine Heimatstadt Kiew, wo er mitten im Kriegsgebiet die entsetzlichen Auswirkungen des Krieges hautnah miterlebt.
Kapitelmans faszinierender Schreibstil zeichnet sich durch eine einzigartige Mischung aus Warmherzigkeit, charakteristischem Humor und originellen Wortschöpfungen aus. Insbesondere seine witzigen Wortspiele und ungewöhnlichen Formulierungen sind Zeichen seiner sprachlichen Kreativität und verleihen seiner Geschichte eine unverwechselbare, lebendige Note.
Trotz der ernsten, nachdenklich stimmenden Thematik gelingt es ihm, tragische Situationen mit urkomischen Elementen zu durchsetzen, und der Geschichte eine angenehme Leichtigkeit zuverleihen, die uns immer wieder schmunzeln lässt.
Der Autor beschreibt einfühlsam die komplexen Familienbeziehungen und Herausforderungen der Migration sowie den alltäglichen Schwierigkeiten, in einem neuen Land fernab der Heimat Wurzeln zu schlagen. Eindringlich widmet er sich der Frage nach kultureller Identität und Zugehörigkeit in einer labilen Welt voller Konflikte, Abgrenzung und Spaltung. Kapitelman gelingt es hervorragend, insbesondere die innere Zerrissenheit vieler Menschen mit multikulturellem Hintergrund authentisch und facettenreich darzustellen. Durch geschickte Perspektivwechsel und eingeschobene innere Monologe fällt es nicht schwer, die Gedankenwelt der Figuren und ihre inneren Konflikte nachzuvollziehen.
Kapitelman zeichnet ein vielschichtiges Bild der komplexen Auswirkungen des russisch-ukrainischen Konflikts auf familiäre Beziehungen. Er veranschaulicht eindringlich, wie politische Ideologien und Propaganda bis in den engsten Familienkreis vordringen und tiefe Gräben zwischen den Familienmitgliedern schaffen können. Am Beispiel des verhärteten Konflikts zwischen Mutter und Sohn gelingt es ihm hervorragend, die schmerzhafte Realität gespaltener Loyalitäten und stark belasteten Familienzusammenhalts in Zeiten geopolitischer Krisen greifbar zu machen.
Zugleich ist es aber auch eine berührende Geschichte über Generationskonflikte und eine Liebeserklärung an die desillusionierten und alternden Eltern, die bei ihrer hoffnungsvollen Suche nach neuer Heimat doch nie ganz angekommen sind. Trotz aller Differenzen unterstreicht Kapitelman sehr gelungen die Bedeutung von Liebe und Verständnis über kulturelle und generationelle Grenzen hinweg.
FAZIT
Ein ebenso bewegender wie unterhaltsamer Roman, der aktuelle politische und persönliche Themen mit Humor und Tiefgang behandelt.
Eine klare Leseempfehlung für alle, die nach einer Geschichte suchen, die zum Nachdenken anregt und gleichzeitig das Herz berührt!
Dieses Buch ist wahrscheinlich keins, das man sich wegen des Covers kaufen würde ... (obwohl es zum Inhalt passt, die Fische haben ihre eigene Rolle)
Allerdings ist die Geschichte nah am Puls der Zeit und aus einer sehr spannenden Perspektive geschrieben:
Der Erzähler ist ein junger Mann, der zwar in der Ukraine geboren wurde, aber in Deutschland aufgewachsen ist. Seine Mutter ist in Russland geboren, aber in der Ukraine aufgewachsen. Während des Krieges hält die Mutter zu Russland, der Sohn zur Ukraine - was macht das mit einer Familie?
Ein Thema mit viel Konfliktpotential, aber auch mit viel Fingerspitzengefühl und Humor erzählt. Wobei man sagen muss (und deswegen war es für mich kein 5 Sterne Buch), dass der Humor durchaus gewöhnungsbedürftig war. Hier kommen wieder die Fische ins Spiel: diese gehören nämlich zu den russischen Spezialitäten und dienen in der Kühltheke als Gesprächspartner für unseren Erzähler. Ein erzählerisches Mätzchen, das meinem Geschmack nicht entsprochen hat. Der Rest ist aber ein durchaus empfehlenswerter Denkanstoß für alle, die gerne gesellschaftskritische, zeitgenößische Romane mögen.
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Dimitrij Kapitelman verfügt über das besondere Talent, eine ernste Geschichte sehr charmant und mit einem Augenzwinkern zu erzählen. Als Russland die Ukraine überfällt, schlägt sich die Mutter des Erzählers auf Putins Seite. Der Sohn versucht sie mit allen Mitteln davon abzubringen und reist dafür sogar mit dem Bus nach Kiew. Sehr gelungen und unterhaltsam.
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