Als das Musicaltheater im ersten Lockdown schließt, steht der junge Schauspieler Hannes ohne Beschäftigung und sozialem Umfeld da. Finanziell zwar eine Weile abgesichert, sucht er nach Sinn und Zeitvertreib und flüchtet sich vermehrt in Alkohol. Als im Sommer das Leben wieder hochfährt, trifft er Rike, in die er sich Hals über Kopf verliebt. Ihre Unbändigkeit, Stärke und Unangepasstheit faszinieren ihn. Sie verbringen den Sommer in Wilhelmsburg, vor den Toren Hamburgs. Viele ihrer Unternehmungen sind von Rikes Sicht auf die Welt geprägt. Sie hat unübliche Meinungen zu den großen aktuellen politischen Fragen, Machtverhältnissen und Demokratie und fordert damit Hannes immer wieder heraus. Auch ihre Liebe muss die Tests bestehen, die ihnen das Leben stellt.
Ich habe das Buch begonnen und dann die nächsten Tage auch nicht mehr weggelegt. Es hat Spaß gemacht mal wieder ein Buch an meiner Seite zu haben, dass man einfach 'genüsslich' lesen kann.
Eine Liebe in Zeiten von Corona - schonungslos und ergreifend
Bewertung am 05.12.2023
Bewertungsnummer: 2082135
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Wolfgang Zarnack schreibt offenherzig und klar. Eine exzessive Beziehung zwischen Hannes, dem Erzähler-Ich und Rike, die von (gegenseitiger?) Manipulation geprägt ist, eine Beziehung, die ihn sexuell in ungekannte Welten führt, ausfüllt und doch immer wieder allein lässt, eine Beziehung, die ihn betrügt und doch nicht loslässt - konzentriert in der Coronazeit als Kontrast verschärfendes Stilmittel.
Die Reduzierung auf sich selbst, das Abschneiden der ablenkenden Außenwelt, eine Camus-artige Sondersituation, in der eine solche Begegnung stattfindet, schafft enormen Fokus. Das ist fesselnd.
Die Erinnerung an eigene Begegnungen war eine stete Begleiterin beim Lesen des Buches. Ich vermute, dass es auch anderen so geht. Wer hat nicht zwischen den Stühlen gestanden, als Verwandte und Freunde sich während der Pandemie in die Extreme verabschiedeten, als man selbst Opfer der Fliehkräfte mal in die eine, mal in die andere Richtung wurde? Wer schonmal betrogen wurde, kennt den Schmerz, der einen unvermittelt trifft und einen von sich selbst entfremdet, zu jemandem werden lässt, den man noch nicht kannte. Zarnack spricht Gedanken aus, die einem beim Lesen gerade ebenfalls gekommen waren.
Ein paar Stellen, die mir unheimlich gut gefielen. Die beim Lesen herausstachen.
"Man kann eigentlich Scheiße auch einfach mal stehen lassen, ohne gleich in Schnappatmung zu verfallen, oder dagegen 'Haltung' zu zeigen." (So gut.)
"Sie küsst toll. Ich übrigens auch und ich platze vor Glück." (Kompakt. Direkt in den Sympathikus.)
"Wobei man mir wahrscheinlich gerade dutzende Supermodels auf den Bauch binden könnte, ich bin so blöd, dass ich nur die dümmste Kuh will." (Exakt, was ich über Hannes dachte und doch 100% verstand.)
"Der Balkon geht zum Innenhof und wir schauen auf die begrünten Mülltonnen. Es klingt schlechter, als es ist." (Toller Satz einfach. Wie ein gelungenes Standbild in einem Film.)
Und dann hält der Roman noch eine Erkenntnis für manchen Mann bereit. Rike macht mit Hannes das, was man, wenn es Hannes mit Rike machen würde, wohl als Mansplaining bezeichnen könnte. Mir war schon klar, dass das extrem anstrengend ist. Aber so? Das habe ich durch diese Worte nochmal ne Spur intensiver nachempfinden können.
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