Ein fantastisches Wintermärchen vom großen russischen Stilisten Vladimir Sorokin
Was beginnt wie eine Erzählung aus dem 19. Jahrhundert, entpuppt sich als fantastische Irrfahrt durch das ländliche Russland einer nahen Zukunft. Der Landarzt Garin will so schnell wie möglich in den Ort Dolgoje, um die Menschen dort gegen eine rätselhafte Krankheit zu impfen, die jedenInfizierten zum Zombie macht. Doch es herrscht Schneesturm, Garins Pferde sind erschöpft, und so heuert er den einfältigen Brotkutscher Kosma an, dessen Schneemobil von winzigen Pferden gezogen wird. Und so beginnt seine Reise in eine Märchenwelt mit Ingredienzien einer Hochtechnologiegesellschaft. Eingebettet in den erzählerischen Kosmos von Tolstoi, Tschechow und Gogol, versetzt »Der Schneesturm« ein grotesk-imaginäres Russland in den Abgrund zwischen den Zeiten – ein zugleich heiteres wie verstörendes Buch, das von der Kritik einhellig gefeiert wurde und einmal mehr Sorokins herausragende Stellung unter den zeitgenössischen russischen Schriftstellern untermauert.
»Hier tut sich die Seele auf. Man legt das betörend schöne, hintergründige und schonungslos kritische Buch nicht mehr aus der Hand, liest es in einem Zug durch.« Die Welt
Eine Irrfahrt mit vielen sehr ungewöhnlichen Begegnungen
Balsamforsoul aus Berlin am 18.09.2020
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Im Zuge einer Leserunde bin ich auf dieses Buch gestossen.
Sonst denke ich nicht das ich es gelesen hätte.
Ein Arzt der im Winter unterweges ist ,um Impfstoff nach Dolgoje zu bringen, da dort eine seltene Krankheit ausgebrochen ist .Es beginnt eine Irrfahrt durch russisches Land.So wie man es sich vorstellt .Man trifft auf alles mögliche Zwerge , Riesen , Hausmütterchen, Drogen , Alkohol und vorallem Kälte.Der Kutscher genannt Krächz hat ein Mobil mit vielen kleinen Minipferden und begleitet den Arzt und tut dies auch wirklich sehr gewissenhaft und so wie der Arzt es befiehlt .Er ist dem Arzt stets treu und hilfsbereit und nimmt wirklich einiges an seinen Launen in Kauf ohne selber launig zu werden.Dabei ist er derjenige der die meiste Arbeit hat.
Es ist schon ein sehr skurriles Buch ,doch liest es sich wirklich flüssig und hintereinander weg.
Mir hat das Ende so gar nicht gefallen und hab gehofft zu erfahren was nun in dem Dorf noch alles passiert .Doch es geht wirklich nur um diese Irrefahrt wo die zwei immer wieder auf Hindernissen stossen.Man spürt die Weite des Landes.
Ich kann nicht so recht sagen ob es mir nun gefallen hat oder nicht .Es war aufjedenfall ne Bereicherung.Ich mochte den Krächz am meisten.
Der erstarrte Riese im Eis der Vergangenheit
tinderness aus Wien am 15.12.2014
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
"Grundsätzlich ist es ja so, dass Russland in einer weit entfernten Vergangenheit lebt, und davon erzählt mein Roman", meint der Schriftsteller Vladimir Sorokin in einem Interview, das allgemein zugänglich ist. "In diesem Roman ist die eigentliche Hauptfigur der Schneesturm. Sie begleitet die beiden anderen Figuren stetig und von ihr hängt das Leben dieser beiden Figuren ab." Und weiter fährt Sorokin mit Bezug auf die unterschiedlichen Zeit- und Bewusstseinsebenen im heutigen Russland fort: "Wenn sie heute nur 70 Kilometer hinausfahren, aus Moskau zum Beispiel, speziell im Winter, dann finden Sie sich augenblicklich in einer anderen Zeit wieder. Sie verlieren die Orientierung, in welchem Jahrhundert sie sind und dort begegnen sie der russischen Metaphysik." Schließlich zur Kritik an den russischen Nomenklatura: "Wenn man heute die Machthaber in diesem Land sieht, die Elite Russlands, die fahren Mercedes, telefonieren mit Smartphones usw., aber mental und kulturell stehen sie im 16., 17. Jahrhundert. Ich habe den Eindruck, Russlands Zukunft, das ist unsere Vergangenheit plus Hochtechnologie. (...) Solche Prozesse wie jetzt gegen Pussy Riot wird es noch mehrere geben, für mich haben sie den Geruch von Mittelalter. Sie zeigen, dass sich an er Spitze unseres Landes, im Kreml, die Paranoia auszubreiten beginnt. (...) Ich denke nicht, dass es Veränderungen durch Straßenproteste geben wird, die Machtfrage wird im Kreml sehr plötzlich und unerwartet entschieden werden."
Diese Aussagen des Autors sind für mich wichtige Hintergrundinformationen, um die Handlung des Romans zu entschlüsseln, eine Handlung, die eigentlich von großer Statik geprägt ist. Denn um die 17 Kilometer zu überwinden, die einen Arzt und seinen Kutscher von einem Ort trennen, in dem angeblich die "bolivianische Pest" ausgebrochen ist, scheint angesichts des ausgebrochenen Schneesturms fast eine Ewigkeit. Immer wieder hindert das Unwetter die beiden an der Weiterfahrt. Entweder man sucht Schutz in bewohnten Hütten und Zeltlagern an der Wegstrecke oder repariert im beißenden Schneetreiben auf offener Strecke die Kutsche. Die Reise "erfriert" zu einem hoffnungslosen Unterfangen. Zunächst denken wir uns in die Realität des 19. Jahrhundert zurückversetzt, durchwoben mit märchenhaften Zügen. Wir begegnen Zwergen und Riesen, beides in Menschen- und Tiergestalt. Aber auch diese Erfahrung wird empfindlich gestört, indem moderne Drogen, Hightech-Behältnisse und Mobiltelefone in die Handlung eingeführt werden und damit die Zeitebenen sprengen. Am Ende sind es sogar Chinesen, die mit riesigen Pferden den Arzt Garin vor dem Tod bewahren und so einen poetisch-politischen Schwenk in die Zukunft erlauben. Russland, erstarrt in einer politischen Eiszeit, aus der es sich alleine nicht befreien kann?
Man kann das Buch auf verschiedene Weise lesen: als poetisch verschlüsselte Erzählung über die derzeitige politische Erstarrung in Russland, als Rekurs auf die Literatur eines Tolstoi oder Dostojewski, welche virtuos im Roman verarbeitet werden, oder als modernes Märchen, welches einprägsame Charaktere hervorbringt, wie den von seinem Scheitern besessenen und rücksichtslosen Arzt oder den gleichmütig - demütigen Kutscher. Auf alle Fälle wird uns die Sprache Sorokins begeistern, der die mehr als 200 Seiten ohne Kapitelüberschriften auskommt und in einem Guss erzählt, so als wäre dieses Buch ohne Unterbrechung entstanden. Ich habe mir gewünscht, in diesem Buch immer weiterlesen zu können, auch über sein Ende hinaus; einen Roman, der so grausam und beschwingt vom menschlichen Scheitern erzählt, in einer Welt der kleinen Perdchen und gestorbenenen Riesen, des pfeifenden Windes und der lähmenden Kälte. Irgendwo in Sibirien, wo die Zeiten durcheinandergekommen sind und sich Russen, Kasachen und Chinesen auf fast natürliche Weise begegnen können. Es ist gefählich kalt geworden, nicht nur dort in Russland, sondern auch in unserer Welt. Auch hier hat es den Anschein, als könnten wir die Aufgaben nicht mehr bewältigen, die uns die Zukunft für uns und unsere Nachfahren sichern. Starre und fröhlicher Untergang auch hier.
Eindeutig große Literatur, die mehr LeserInnen verdient hätte.
Kurze Frage zu unserer Seite
Vielen Dank für Ihr Feedback
Wir nutzen Ihr Feedback, um unsere Produktseiten zu
verbessern. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihnen keine Rückmeldung geben können. Falls Sie
Kontakt mit uns aufnehmen möchten, können Sie sich aber gerne an unseren Kundenservice wenden.