Das ist neu in Russland: Hunderttausende gehen gegen die gefälschten Wahlen auf die Straße. Ihr Protest richtet sich gegen den Mann, der hinter der Fassade der Demokratie das alleinige Sagen hat: Wladimir Putin.Masha Gessen entlarvtden unscheinbaren Mann ohne Gesicht als das, was er wirklich ist: ein skrupelloser Machthaber, umgeben von Korruption und Terror.
Unter einer Enthüllung hatte ich mir etwas anderes vorgestellt. Was man in diesem Buch über Wladimir Putin zu lesen bekommt, kann man sehr kurz zusammenfassen: Putin sei ein unbeherrschter und gefühlsarmer Mensch, der gerne eine vulgäre Sprache benutzen und unter seiner geringen Körpergröße leiden würde. Mit seiner diktatorischen Herrschaft würde er Russland zurück in Zustände bringen, die man aus Sowjetzeiten bereits kennen würde. Obendrein soll er einer der reichsten Männer der Welt sein. Die Autorin gibt sein Privatvermögen mit über 40 Milliarden US-Dollar an. Woher sie diese Information hat, bleibt ihr Geheimnis, wie vieles andere in diesem Buch auch.
Darüber hinaus beschreibt die Autorin Putins KGB-Karriere, soweit sie öffentlich bekannt ist, und seinen Werdegang bis ins Jahr 2012. Man mag über Putin denken, was man will - dieser Text wird dazu nichts wirklich Neues hinzufügen. Wenn man sich durch dieses fast immer langatmig und weitschweifig geschriebene Buch endlich durchgequält hat, kommt man nicht um die Feststellung herum, dass seine Autorin dem Thema intellektuell nicht gewachsen war.
Zunächst einmal fällt auf, dass sie nirgendwo auf die innere und äußere Lage Russlands wirklich tiefgründig eingeht. Es geht ständig nur um Personen und deren Beziehungen. Aber damit nicht genug: Statt von einem distanzierten und analytischem Standpunkt aus die Dinge zu beleuchten, verfängt sich die Autorin in einer merkwürdigen Parteilichkeit. Besonders deutlich wird dies, wenn sie über die Präsidentschaft Jelzins schreibt. Sie hält diese Periode für eine wunderbare Zeit demokratischer Wandlungen, die erst durch den Tyrannen Putin beendet wurde.
Doch die Wirklichkeit sah für das russische Volk ganz anders aus. In dieser Zeit wurden die Ressourcen Russlands auf kriminelle Weise in die Hände weniger Leute verscherbelt, die dadurch in sehr kurzer Zeit sehr reich wurden und Teile dieses Vermögens ins Ausland brachten. Das gemeine Volk hingegen sah sich einer Hyperinflation ausgesetzt und verarmte. Solche Tatsachen kommen in diesem Buch jedoch nur am Rande vor. Die Autorin schreibt, dass Jelzins Familie einen Nachfolger im Amt des Präsidenten suchte, der eben diese Familie nicht dahin bringen würde, wo sie nach russischen Gesetzen eigentlich hingehören würde. Putin war dafür genau der richtige Kandidat. Wie man bei einer solchen Beschreibung gleichzeitig von Demokratie sprechen kann, bleibt mir ein Rätsel.
Man kann diese Peinlichkeit nur begreifen, wenn man versteht, dass die Autorin offene Sympathie für Leute empfindet, die man im Westen gerne als Dissidenten bezeichnet. Man gewinnt durch die mediale Hofierung dieser Leute im Westen oft den falschen Eindruck, als würden sie irgendeine bedeutende Rolle in Russland spielen. Doch das Gegenteil ist wahr. Man kennt sie dort in der Regel gar nicht. Da einige der Oligarchen solche Dissidenten unterstützt haben, wird wiederum die Sympathie der Autorin für diese Neureichen verständlich.
Mit einer objektiven Betrachtungsweise hat das aber leider überhaupt nichts zu tun. Der gesamte Text wurde jedoch unter diesem engen und schiefen Blickwinkel verfasst. Er ist, um es ganz klar zu sagen, einfach nur eine schmähende Abrechung mit Putin aus der Sicht dieser Leute. Inwieweit dies den Tatsachen wirklich gerecht wird, kann man von außen kaum beurteilen. Zweifel kommen allerdings bei einer solchen Herangehensweise schon auf.
Da die Autorin viele Geschehnisse in Russland offenbar nicht wirklich durchschaut, ersetzt sie Tatsachenbeschreibungen und die anschließende Analyse durch seitenlanges Beschreiben von Aussagen anderer Dissidenten, deren Probleme oder wilde Spekulationen.
Sie geht auch nicht allgemein auf die Transformation der russischen Gesellschaft in westliche Verhältnisse ein, und sie fragt sich auch nicht, ob das überhaupt so einfach geht. Russland kennt keine nachhaltigen demokratischen Traditionen. Und offenbar versteht die Autorin auch nicht, dass sich die westlichen Demokratien zum Teil über Jahrhunderte in den heutigen Zustand gekämpft haben, den sie nun aller Welt als das Nonplusultra verkaufen möchten.
Dieses Buch schildert die Geschehnisse der letzten 20 Jahre in Russland und Putins Rolle dabei leider nur unter einem sehr eingeschränkten Blickwinkel. Und enthüllt wird eigentlich auch nichts. Die meisten Behauptungen über Putin in diesem Buch, die nicht auch sowieso schon bekannt waren, erweisen sich nämlich bei genauerem Hinsehen erst einmal nur als Vermutungen und Spekulationen.
Gut geschrieben aber Mangel an Tatsachen
Roxx00r aus Breuberg am 07.04.2016
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Sehr gut geschrieben aber leider auch sehr einseitig. Primär beschreibt dieses Buch :" Putin = Böse, Nato = Gut" Was das ganze etwas unangenehm zu lesen macht. Wer tatsächlich etwas über Putin erfahren möchte sollte zu anderer Literatur greifen.
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