Rezension
Es hat schon beinahe etwas Mystisches: Als Udo Jürgens am 7. Dezember 2014 - und damit exakt zwei Wochen vor seinem Tod - im Zürcher Hallenstadion sein allerletztes Konzert gab, standen die Kameras bereit, um genau diesen Aufritt für die Ewigkeit einzufangen. Aber auch ohne diese metaphysische Dimension handelte es sich um einen denkwürdigen Abend, der bereits mit Standing Ovations begann - wie bereits bei der gesamten Tour. Die Zuschauer feierten damit einen Künstler, der über Jahrzehnte für die Musik, aber eben auch für sein Publikum gelebt hatte. Diese besondere Eröffnung leitete dann über in ein sorgfältig und stimmig zusammengestelltes Programm, bei dem in der ersten Hälfte Songs aus seinem letzten Album, "Mitten im Leben", dominierten. Udo Jürgens spielte zusammen mit dem getreuen Orchester Pepe Lienhard packende Stücke wie "Alles aus Liebe", "Was ich gerne wär für dich" oder das grandiose "Der gläserne Mensch" in mitreißenden Liveversionen, die die Studiofassungen von "Mitten im Leben" noch einmal toppten. Und wie bei jeder Tour gab es Überraschungen - Stücke, die er schon lange nicht mehr, wenn überhaupt schon einmal, live gespielt hatte. Im ersten Set waren das etwa sein klassisches Opus "Die Krone der Schöpfung" und der Evergreen "Immer wieder geht die Sonne auf". Viel zu lang hätte er dieses Lied nur als Teil seiner Medleys gespielt, erzählte der Künstler, und ließ anschließend besagten Song in voller Schönehit noch ein letztes Mal aufgehen. Auch das zweite Set barg zahlreiche Höhepunkte - von denen einer besonders herausragt. Denn auch "Griechischer Wein" hatte Udo Jürgens bei den vergangenen Tourneen oft nur Bestandteil seiner Medleys gespielt. Aber vielleicht war es die berührende Version von Christina Stürmer, die sie zu seinem 80. Geburtstag in der ZDF-Gala gesungen hatte, und die ihn möglicherweise zu der neuen, bewegenden Liveversion inspirierte. Denn Udo Jürgens hat den Klassiker entschleunigt, ihn zurückgeholt vom Oktoberfest und ihn auf seinen düsteren Kern, das Heimweh und die Sehnsucht, reduziert. Das konnte Udo Jürgens wie kaum ein anderer: Lieder zum Klingen bringen, dass aus Unterhaltung Haltung wurde, wie er immer sagte. Auf der Bühne ist ihm das gelungen. Jedes Mal. Gleichwohl durften all die Klassiker und Hits im zweiten Teil des Abends nicht fehlen - auch nicht in Zürich. Denn all diese Lieder - von "Ich war noch niemals in New York" über "Ein ehrenwertes Haus" bis "Aber bitte mit Sahne" stehen letztlich für den höchsten Lebensgenuss. Und Udo Jürgens feierte dies noch einmal: sich, die Musik, seine Fans. Auch das traditionelle Bademantel-Finale durfte in Zürich nicht fehlen. Doch wie bei den Shows zuvor ging es danach zur Überraschung des Publikums noch weiter: Udo Jürgens kehrte in Jeans, ohne Bademantel, ein letztes Mal auf die Bühne zurück und sang ganz ernst mit "Zehn nach elf" einen melancholischen Song, der sich mit der Einsamkeit des Musikers nach dem Konzert beschäftigt. Damit verabschiedete sich ein Jahrhundertkünstler von seinem Publikum - passender und perfekter hätte es kein Dramaturg gestalten können. Und der Kreis schloss sich. Dietmar Schwenger (Quelle/Copyright: G+J Entertainment Media)