Istanbul, 1921: Die ehemals schillernde Metropole des Osmanischen Reiches ist durch Krieg und Besatzung nur noch ein Schatten ihrer selbst. Viele Bewohner haben ihr Zuhause verloren. So auch die junge Nur, die wohlbehütet in einer intellektuellen Familie aufgewachsen ist, fließend Englisch spricht und sich am liebsten an die herrlich trägen Sommer in ihrem Haus am Bosporus erinnert.
Inzwischen lebt sie mit Mutter und Großmutter in einer kleinen Wohnung und schlägt sich mit Näharbeiten durch. Eines Tages findet sie einen Waisenjungen und nimmt ihn zu sich. Als er hohes Fieber bekommt, bringt sie ihn in ein englisches Militärkrankenhaus. Einer der Ärzte, George, kümmert sich aufopferungsvoll um das Kind, und sosehr Nur ihn, den Engländer, also einen der feindlichen Besatzer, auch verachtet – nach und nach entspinnen sich zarte Bande zwischen den beiden …
Istanbul, die Nahtstelle zwischen der Türkei und Europa, getrennt durch den Bosporus.
"Seit tausenden von Jahren liegt sie da, in völliger Gelassenheit, nähert sich zufrieden von der Quelle der Zeit - selbst als plündernde Horden vor ihren Toren standen, um Zerstörung zu bringen und sie zu erobern, selbst als es Feuer vom Himmel regnete. Vielleicht ist das schon immer die unausgesprochene Abmachung zwischen der Stadt und ihren Bewohnern gewesen. Sie sind wie Vögel, die auf einem uralten Ast sitzen. Wenn der Wind zu stark ist, um sich auf ihm zu halten...nun, dem Baum kann schließlich niemand einen Vorwurf machen, nicht wahr?" S. 164
Also, wahr ist in jedem Falle, die nichts erschütternde Kraft dieser Stadt und eine Stadt lebt ja allein durch seine Bewohner. Istanbul hatte im Laufe seiner Geschichte eine Vielzahl an Menschen unterschiedlichen kulturellen Backgrounds zu gast. Als Schnittstelle des europäischen und des asiatischen Kontinents diente die Stadt schon immer Kaufleuten als Handelsplatz.
Doch trotz dessen war Istanbuls Geschichte auch immer eine Geschichte von Kriegen. Im 7. Jahrhundert vor Christus unter dem Namen Byzanz gegründet, fast 700 Jahre später von dem römischen Kaiser Constantin dem Großen zur Hauptstadt erklärt, nach wiederholten Angriffen im 15. Jahrhundert von den Osmanen erobert, infolge des Balkankriegs und der Teilnahme am ersten Weltkrieg zum Teil stark zerstört, wurde „die Stadt“ am 13. November 1918 von britischen, französischen und italienischen Soldaten besetzt.
Hier setzt nun der Großteil der Handlung des Romans ein. Nach einem –wirklich sehr kurzen- Einstieg durch zwei Quasi-Zeitungartikeln aus unterschiedlichen Perspektiven wird der Roman in einen kurzen ersten und einen ewiglangen zweiten Teil gegliedert.
Uns führen fünf Personen durch das Buch: „Nur“, ihr Adoptivsohn, der nie namentlich erwähnt wird und zu dem immer nur „der Junge“ gesagt wird, „George“, der britische Soldatenarzt; „Karem“, Nurs Bruder, der 1918 im 2. Weltkrieg kämpfe; und schließlich der ominöse "Reisende" aus den 60er Jahren, schnell erklärt sich, wer er ist.
Hauptsächlich spielt die Handlung 1921, wir lernen unsere Hauptprotagonistin Nur kennen und wie sie mit ihrer Mutter, ihrer Großmutter und dem Jungen wohnt. Sie soll eine starke Frau darstellen, was auch größtenteils gelingt. Dann kommt der mitleidig anmutende Arzt dazu – George, der sich um jeden kümmert und die Menschen im besetzten Konstantinopel ja total versteht. Nur und George freunden sich an indem sie ihn die ganze Zeit beschimpft und er ihr beteuert, wie gut er sie verstehen kann. Auf mich wirkte das sehr unrealistisch.
Ich hatte so meine Schwierigkeiten beim Lesen und auch beim Schreiben dieser Rezension: Es wird so gut wie keine Spannung aufgebaut, die Protagonisten sind rein schwarz-weiß (gut-böse) gehalten, die meisten Kapitel gehen nicht mal über zwei Seiten und das mehrmals hintereinander weg. Der bildhafte, sinneseindrucksvolle Schreibstil konnte leider nicht helfen. Immer wieder spickt die Autorin Lucy Foley ihre Geschichte mit Darstellungen von Essensgerüchen, bildlichen Erscheinungen vom Sonnenuntergang auf dem Bosporus und dem Geschmack von Granatäpfeln. Durchaus schöne Formulierungen, aber sie reiben sich an der Handlung auf. Der gewollte Kontrast wirkt auf mich deplatziert und konstruiert. Im Laufe der Geschichte werden immer wieder türkische Vokabeln mit eingefügt. Diese werden nicht übersetzt, sondern erklären sich durch den Kontext. So ruft der Matrose „Kahve! Kahve!“, den er zusammen mit den sesambestreuten simit zum Kauf anbietet. Da bekommt man gleich ein Gefühl für die Sprache und die Traditionen.
Lucy Foley zwängt viele Themen in ihren 434 Seiten kurzen Roman. Es geht um die Besatzung, empfunden von Besatzern und Besetzten; um Kriegsempfindungen, dargestellt von Karem, der einen Hass auf die Alliierten entwickelt; um Mutterliebe; ums Kochen; um eine völlig unnachvollziehbare Liebesgeschichte, die laut Klappentext den größten Anteil einnehmen sollte, dies aber keinesfalls tut; am Rande auch um den Massenmord an den Armeniern, wobei eine Erläuterung sinnvoll gewesen wäre.
Der Roman reicht mir nicht als historischer Roman und nicht als Liebesroman. Er verspricht mehr, als er halten kann.
Mein Fazit: Eine sprachliche Sinnesreise ins Istanbul der frühen 20er Jahre - doch zu viele Sichtweisen in zu kurzen Kapiteln ruinieren den Lesefluss. Kaum Spannungsaufbau, eine unrealistische Liebesgeschichte und ohne Fokus auf eine Haupthandlung – der Roman taugt höchstens als ganz netter Vokabeltrainer, in Vorbereitung eines Urlaubsausfluges nach Istanbul. Wahrscheinlich wäre ein Sprachkurs mit Babbel noch um einiges spannender.
Ein Teil der Geschichte Istanbuls, brillant erzählt
Bewertung aus Bad Münstereifel am 23.04.2019
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
„Vielleicht ist das der wahre Tod, wenn man gänzlich aus der Erinnerung der Lebenden verschwindet.“ (aus Die leuchtenden Tage am Bosporus S. 358)
Die leuchtenden Tage am Bosporus ist kein Roman, wie ich ihn kenne. Es gibt keine abgeschlossene Handlung, mit Einführung, Hauptteil und Schluss. Viel mehr kommen verschiedene Handlungsstränge vor, die nicht nur zwischen den Akteuren wechseln. Auch die Schauplätze und selbst die Zeiten unterscheiden sich.
Gedanken und Gefühle der Hauptpersonen spielen in Die leuchtenden Tage am Bosporus eine große Rolle. Die Autorin hat diese sehr gut in Szene gesetzt und brilliert durch ihre blumige Sprache. Nur ist eine junge Frau, die behütet aufwuchs bis der Krieg ihr und der Familie nahezu alles nahm. Das eigene Haus musste geräumt werden und hier wurde ein Lazarett für britische Verwundete eingerichtet. Vater sowie Großvater starben und der Bruder wird vermisst. Als dieser wieder nach Hause kommt (er desertiert), ist er traumatisiert und bringt die ganze Familie in Gefahr. Der Umgang mit ihm lässt sich mit dem Tanz auf einem Vulkan vergleichen.
Ein kleiner Junge wird von Nur aufgenommen. Der erlebte Schreckliches und verlor seine Familie während die Türken gegen die Armenier kämpften. Der Junge hängt an Nur und kann nur bruchstückhaft über das Erlebte sprechen. Nur sorgt aber dafür, dass er eine Zukunft hat und angemessene Bildung erhält.
Mir gefiel das Buch, weil ich gedanklich in die schöne Stadt Konstantinopel (heute Istanbul) reisen konnte. Ich sah die Farben des Bosporus in der Abenddämmerung und die leuchtenden Farben der Pflanzenvielfalt. Lucy Foley versteht es, mir die Schauplätze ihrer Bücher nahe zu bringen und nimmt ich an die Hand. Gemeinsam mit ihr durfte ich in die Türkei reisen.
Noch ein Zitat aus dem Buch: Der Garten verwandelt sich in einen Karneval der Gesänge, ein Chaos aus Flügeln.
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Istanbul 1921 - die Alliierten haben die Stadt besetzt und viele Häuser okkupiert und die Familien auf die Straße gesetzt. Nur, eine junge Witwe, muss nun mit den schwierigen Bedingungen zurechtkommen, arbeiten, ihre Mutter und Grossmutter versorgen und hat auch noch einen Waisenjungen aufgenommen. Und nun kommt noch ihr Bruder schwer traumatisiert aus dem Krieg zurück.
Die Autorin versteht es sehr feinfühlig die geschichtlichen Hintergründe mit den Schicksalen der Menschen zu verbinden. Wunderschön und nachdenklich.
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