Ja, Berlin war es, das neue Leben in Deutschland war es, der Grund, warum plötzlich all diese Fragen in mir aufzogen. Ich hatte mich vom Thema jüdischer Identität in der Gegenwart weitgehend verabschiedet, ich wollte nur Mensch unter Menschen sein, Berliner unter Berlinern. Wie weit ist mir das überhaupt gelungen? Wie habe ich es auszuwerten, dass dieses Deutschwerden, worum ich mich so fleißig bemüht habe, mich zu meinem Judentum wieder zurückschob wie zu einer unerfüllten Pflicht, die kein Vertagen mehr duldet?
Was bedeutet “Jüdischsein” heute? Deborah Feldman, von Holocaust-Überlebenden in den USA erzogen und ausgerechnet nach Deutschland emigriert, über einen Begriff, der immer auch eine Zuschreibung, eine Begrenzung, eine Projektion ist, im Negativen wie im Positiven. Ihre Auseinandersetzung mit ihrem kulturellen Erbe – und der damit verbundenen Last – beinhaltet auch das Bestreben, das Jüdischsein in etwas Größeres, Diverseres, Humaneres einzubinden. Es ist ein Plädoyer für mehr Gemeinsamkeit über Grenzen hinweg – und eine Ermutigung an alle jene, die sich aus der Falle von Gruppenzwängen befreien wollen, um ihre Identität frei und selbstbestimmt zu definieren.
Sehr angenehm zu lesen und super interessant erzählt, da ja auch die Thematik so interessant ist. Ich kann dieses Buch nur jede/r/m ans Herz legen, der/die ihren Horizont erweitern möchten.
»Mach dir nicht so viele Gedanken dazu, sonst wirst du wahnsinnig.« |227
Wer mit »Judenfetisch« eine stringente und soziologisch objektivierbare Abhandlung davon erwartet, was "Jüdischsein" heute bedeutet, ist mit dem aus dem Subjektiven und Emotionalen schöpfenden, suchenden, streitbaren und immer wieder auf Grenzen stoßenden politischen Essay von Feldman falsch gewickelt. Wer eine sich immer wieder wundernde, humorvolle, darunterliegend mit Ernsthaftigkeit, Wut, Trauer und Liebe gespickte Selbstverortung von Deborah Feldman lesen und davon ausgehend über diese Gesellschaft, das Verhältnis zu-, die Vereinnahmung von Juden|tum und die eigene Verortung nachdenken möchte, greife zu diesem Essay. Ob jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist oder es gut täte, ihn in anderen gesellschaftlichen Stimmungen zu lesen, frage ich mich aber zunehmend.
In Israel steigt die durch ihren autobiographischen Roman »Unorthodox« breit bekannte Autorin mit Gedanken zu ihrer Positionierung als Jüdin und als sich selbst bestimmender Mensch ein, der die direkten Verbindungen zur orthodoxen jüdischen Religion abgelegt wissen wollte.
Mit Blick für Kuriositäten, Widersprüche und in Sorge beschreibt Feldman ihre Sicht auf die erstarkte Rechte und Orthodoxie in Israel und ihren zu der Zeit der Roman Entstehung wahrscheinlich noch ambivalenten Bezug zur israelischen Politik. Doch das Hauptaugenmerk von »Judenfetisch« liegt auf Jüdischsein in Deutschland aus Sicht einer Expat aus Amerika, den vielen Schichten, Ambivalenzen, unausgesprochenen Zuweisungen, Vereinnahmungen, Projektionen und Tabus, dem Anti- und Philosemitismus, dem Phänomen von Konvertiten, der Förderung von Judentum in Deutschland, den Ambivalenzen eines öffentlichen Jüdischseins, der gegenseitigen Härte bei unterschiedlichen Verortungen zum Jüdischsein und dem Gelingen einer sicheren familiären Verbundenheit mit Gleichgesinnten.
Assoziativ verbinden sich vielfältige Blickwinkel, Beobachtungen, Orientierungsversuche und beengende Zuschreibungen zum Jüdischsein, die oft viel über die Zuschreibenden erzählen.
Feldman verhält sich zu den Vereinnahmungen, Projektionen und ihrer eigenen Geschichte, reflektiert sie und möchte dabei nicht gefallen. Sie sticht in Ambivalenzen, vielschichtige Motivlagen und wie in der aktuellen Situation unmittelbar zu spüren ist, nicht nur ihre eigenen heißen Emotionen und Verletzlichkeiten. Die von Feldman aufgeworfen Fragen halten sich streitbar offen. Doch so sehr der Autorin ein Austeilen vorgeworfen werden kann und sich »Judenfetisch« heute kontroverser liest, bleibt sie auf Verständigung aus. Die Verteidigung von Subjektivität, Humanismus und der Universalität der Menschenrechte zieht sich durch den Text. Ob und wie sie darin verstanden wird, ihre Haltung gefällt oder sie der im Text immer wieder umkreisten Vereinnahmbarkeit der deutschen Mehrheitsgesellschaft entgehen kann, ist eine andere Frage.
Angesichts der aktuellen Situation und auch der Rolle, in die Feldman aktuell gekommen ist und damit mitten drin ist in emotional aufgehitzten Debatten, Diskussionen, Verletzungen und Vorwürfen, frage ich mich immer mehr. Geht es, diesen persönlichen von mir als wertvoll empfundenen Text, der zwei Jahre vor dem 07. Oktober entstanden ist, unabhängig davon zu lesen? Die Wahrscheinlichkeit halte ich für größer, dass er sich zerreibt insb. hier in Social Media in aktuellen Fragen zu Subjektivität, Repräsentation und Binarität "auf welcher Seite" Text und Autorin stehen oder vereinnahmt werden. Auch wenn unter anderem genau diese Vereinnahmung Thema des Essays ist, kann er aktuell wahrscheinlich kaum noch mit entschleunigtem und nüchternem Abstand betrachtet und diskutiert werden. Aber Texte bleiben, diesen möchte ich mit zeitlichem Abstand noch einmal zur Hand nehmen, fürs erste haben wir nur diese Zeit.
Ich habe die ersten Bücher mit Begeisterung gelesen, dieses ist etwas anderes aber trotzdem beeindruckend. Jüdisches Leben in Deutschland bleibt, leider, schwierig. Es hat mich nachdenklich gemacht.
Ich habe ihre beiden ersten Bücher gelesen und finde sehr mutig, was Deborah Feldman getan und geschrieben hat. Auch bei Judenfetisch bin ich entsetzt darüber, was ich da über das jüdische Leben in Deutschland erfahre. Ich habe sie in einer Talkrunde im Fernsehen gesehen, jedes Wort von ihr war mit Bedacht gesprochen. Sie beeindruckt mich sehr!
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