Was bleibt, als zu fliehen, wenn Kinder plötzlich allergisch auf Erwachsene reagieren, Eltern ihre Kinder vergessen, wenn Hunde ihre Herren anfallen und die Natur des Menschen überdrüssig ist? Pflegekraft Aria und Kollegin Marion retten fünfzehn Kinder aus der vom Untergang gezeichneten Stadt und versuchen die vielleicht letzten Wochen in einem ehemaligen Badehotel würdevoll zu bestehen. Doch den Bewohnern von Einstadt und den Cowboys rund um Imre Brandt sind sie ein Dorn im Auge. Als Aria ein Pferd am Strand entdeckt und darauf beharrt, es zu bergen, geht es plötzlich um alles. Die Feindseligkeit der Männer eskaliert, aber die Frauen finden Verbündete und geben nicht kampflos auf.
Hanna von Buchsichten aus Düsseldorf am 27.10.2024
Bewertungsnummer: 2326472
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Die Pflegekraft Aria macht sich gemeinsam mit ihrer Kollegin Marion und fünfzehn Kindern, die von ihren Eltern vergessen wurden, auf den Weg ans Meer. Dort haben sie ein ehemaliges Hotel gekauft, in dem sie unterkommen wollen. Die Welt steht am Abgrund und niemand weiß, wie und wie lange es weitergehen wird. In Einstadt angekommen werden die Frauen und Kindern von den ortsansässigen Cowboys mit Argwohn beäugt. Lediglich Jenny, die Schwester ihres Anführers, kann eine Eskalation der Situation verhindern. Als Marion an einem schwer zugänglichen Strandabschnitt in der Nähe des Hotels ein dünnes Pferd entdeckt, ist sie gewillt, dieses zu retten. Doch dazu benötigt sie Unterstützung – wird sie die Einstädter überzeugen können, ihr zu helfen?
Als Leserin wurde ich auf den ersten Seiten ohne große Erklärungen gleich mitten ins Geschehen hineingeworfen und begleitete Aria, Marion und die Kinder bei ihrem Weg aus der Klinik ans Meer. Schnell merkte ich, dass ich mich in einem dystopischen Szenario wiederfand, wobei nicht genau erklärt wird, was eigentlich geschehen ist. Die Welt scheint am Abgrund zu stehen und Aria ist fest entschlossen, die Kinder und später auch das Pferd zu retten und zu beschützen, solange es geht.
Im Interview hat die Autorin berichtet, sich an Bildern entlangzuschreiben, die sie vor sich sieht. Diese Herangehensweise ist beim Lesen des Romans zu spüren. Sie schafft mit ihren Worten kraftvolle und lebendige Szenen, die im Kopf bleiben. Zwischen diesen gibt es unterschiedlich große Zeitsprünge, der Fokus liegt mehr darauf, einzelne starke Momente einzufangen als den Leser durch den Fluss an Ereignissen zu führen. Mich hat Stefanie vor Schulte mit dieser Erzählweise sehr gut abholen können.
Aria ist eine Person, die über viel mentale Stärke und einen unbeugsamen Willen verfügt. Was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hat möchte sie auch erreichen. Sie hat die Kinder ans Meer gebracht, und nun möchte sie auch das Pferd retten, obwohl wenn sie dafür viel Unverständnis erntet. Kurze Rückblicke geben einen Einblick in prägende Momente ihrer Jugend und machen noch verständlicher, warum sie gewisse Entscheidungen trifft. Auch die weiteren Frauenfiguren im Buch sind interessant und anpackend und nicht bereit, sich dem Willen der Männer zu beugen. Ich habe sie gerne auf einer Suche nach einem Platz in der untergehenden Welt begleitet. Mir hat dieser aufs Wesentliche beschränkte Roman, der bewusst nicht alles erklärt, sondern einzelne starke Bilder schafft, die nachhallen, sehr gut gefallen.
„Die Kinder, die Schwächsten, greift der Weltuntergang also zuerst nach ihnen? Und schirmt man sie ab, damit sich niemand daran stört und alles weitergehen kann wie bisher? Soll es nur so aussehen, als wolle man die Kinder beschützen, sie in Wirklichkeit aber loswerden, damit die Leute in Ruhe am Abgrund tanzen können?“
„Sie fährt fünfzehn Kinder in eine Zukunft, die keine mehr ist.“
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INHALT:
Die Welt scheint kurz vor ihrem endgültigen Zerfall zu stehen. Alles verwahrlost, auf den trockenen Feldern wächst nichts mehr, Seen sind gekippt, die Bäume wirken ausgezehrt und die Hitze macht den Menschen zusätzlich zu schaffen.
Während sich Haustiere plötzlich gegen ihre Besitzer wenden, erinnern sich Eltern nicht mehr an ihre Kinder, welche wiederum allergisch auf Erwachsene reagieren.
Um solche Kinder kümmert sich Krankenpflegerin Aria auf ihrer Station.
Als ein Überleben an diesem Ort für sie und die vergessenen jungen Leute immer unwahrscheinlicher wird und das Gesundheitssystem kaum noch funktioniert, flieht Aria mit ihrer Kollegin Marion und den fünfzehn Kindern, um gemeinsam die vermeintlich letzten Wochen in Würde zu verbringen.
Mit einem Bus schaffen sie es bis nach Einstadt, wo sie ein ehemaliges Badehotel am Meer gekauft haben, welches sie beziehen.
Dort werden sie skeptisch von den Einwohnern beäugt. Ein paar Cowboys und ihr Boss, Imre Brandt, haben es gar nicht gerne, dass sie sich hier herumtreiben.
Die Situation droht zu eskalieren, als Alia sich in den Kopf setzt, ein Pferd vom Strand retten zu wollen, was sich als schwieriges Unterfangen entpuppt.
Während die Männer ihr feindselig gegenüberstehen und über ihre Frauen herrschen, beginnen sich Letztere nach und nach zu emanzipieren und verbünden sich miteinander …
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MEINUNG:
Da mich die zwei vorherigen Bücher der Autorin ausgesprochen begeistert haben, waren meine Erwartungen an die hiesige Lektüre groß.
Der Schreibstil hat mir insgesamt gefallen, auch wenn mich an einzelnen Stellen die Umgangssprache etwas verwundert hat. Aber die Geschichte lässt sich flüssig lesen, ich hatte sie in einem Rutsch durch.
Besonders gut sind Stefanie vor Schulte die individuellen Charakterzeichnungen gelungen.
Und auch, dass sie die Frauen-Figuren über sich hinauswachsen lässt, die sich nicht länger von ihren Männern unterdrücken lassen wollen und sich verbünden, hat mir sehr zugesagt.
Dass sie Eltern ihre Kinder vergessen lässt und diese schließlich aus dem Blick einer der ganzen Gesellschaft geraten, kann sich als Gesellschaftskritik deuten lassen. Kinder werden häufig benachteiligt und ihre Sorgen und Bedürfnisse weniger ernst genommen. Mich hat es zudem an die Coronapolitik erinnert.
Die veränderten klimatischen Bedingungen lassen an den Klimawandel denken und sind dadurch gar nicht so weit hergeholt.
„Das dünne Pferd“ unterscheidet sich insofern von den anderen beiden Werken der Autorin, als es sich hier um ein dystopisches Setting handelt, in das Lesende ohne genauere Erläuterungen hineingeworfen werden.
Und das finde ich auch die größte Herausforderung an diesem Buch: Es bleibt insgesamt äußerst vage, sehr, sehr vieles bleibt ungeklärt, man muss eigene Interpretationen finden, z. B. auch, was das Pferd angeht.
Manchmal mag ich das, hier war es mir jedoch zu viel. Ich hatte nach der Lektüre mehr Fragezeichen, als dass ich mir über Dinge im Klaren war. Aber das ist selbstverständlich Geschmackssache. Gleichzeitig lädt dies zu eigenen Gedankengängen ein.
Manche Entwicklungen fand ich unglaubwürdig. Z. B.: Warum brauchen die Kinder in der Klinik und im Bus medizinische Versorgung wie Infusionen, neue Verbände, oder Hilfsmittel wie Rollstühle usw. und im ehemaligen Badehotel ist davon nie die Rede? Im Gegenteil, da rennen die Kinder los, klettern problemlos den steilen Hang zum Strand hoch und runter (den ein Pferd z. B. nicht nach oben bezwingen kann), usw. Sicherlich kann die bessere Umgebung einiges am Gesundheitszustand ändern. Aber so fand ich es nicht glaubwürdig dargestellt.
Ebenso bei den Tieren, die sich anfangs gegen ihre Besitzer wenden. Ich mochte das Element, das bei den „Bösen“ eingesetzt, auch mal bei den Lesenden Schadenfreude verursacht. Bei mir hat es kurz Stephen-King-Vibes ausgelöst. Aber mir wurde es nicht zuverlässig und glaubwürdig genug fortgesetzt.
Trotzdem hatte das Buch das „gewisse Etwas“, das mich immer weiterlesen ließ.
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FAZIT: Die Idee, die Ansätze, die Figuren und die Gesellschaftskritik mochte ich gerne. Aber ich wurde nicht aus allem schlau. Manches war mir zu unglaubwürdig, bzw. nicht zu Ende geführt und am Ende blieben bei mir sehr viele Fragezeichen. Dennoch hallt es noch lange in mir nach. Ich würde euch die Lektüre dann empfehlen, falls euch dystopische Geschichten reizen und ihr euch an sehr viel Freiraum für eigene Interpretationen erfreuen könnt. 3,5/5 Sterne!
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C. N.: u. a. Armut, Tod, Blut, Gewalt an und Unterdrückung von Frauen, Suizidalität, tote Tiere
Was ist ,wenn Kinder allergisch auf Erwachsene reagieren? Was ist, wenn Eltern ihre Kinder vergessen? Was ist, wenn Frauen und Männer sich nicht mehr anziehend finden und der Kinderwunsch immer weiter nachlässt? Findet es heraus und lest "Das dünne Pferd" von Stefanie vor Schulte.
Ich lese nicht oft Bücher aus diesem Genre, muss aber gestehen, dass ich dieses Buch nicht mehr hinlegen konnte. Sehr spannender und verrückter Roman über den Anfang vom Ende! Das Buch hat starke Frauen als Protagonistinnen und zeigt, dass wir Frauen immer für unsere Rechte einstehen und uns nicht von "Möchtegern-Cowboys" unterdrücken lassen sollten.
Ein toller Roman für alle Fans von Romanen mit Weltuntergangsstimmung, Feminismus und einem Hauch Western.
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Ein Buch das viele Fragen aufwarf, wobei ich zeitweise sogar bezweifelt habe, ob diese überhaupt beantwortet werden können. Letztendlich wurden alle meine Fragen, die während des Lesens aufkamen beantwortet und Ich war und bin sehr beeindruckt von diesem Buch! Ich kann es allen nur herzlichst empfehlen, die sich mal an etwas ungewöhnliches herrantrauen wollen.
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