Kaum eine Stadt übt seit Jahrhunderten eine solch ungebrochene Anziehung aus wie Venedig. Arne Karsten erzählt die Geschichte der Stadt im Wasser von ihren bescheidenen Anfängen in den Zeiten der Völkerwanderung über ihre Glanzzeit als Hauptstadt eines riesigen Handelsimperiums bis in die Gegenwart hinein.
Zu Beginn unter byzantinischer Herrschaft, dehnte Venedig seinen wirtschaftlichen Einfluß rasch über den östlichen Mittelmeerraum aus, erwarb unerhörten Reichtum und wurde schließlich zur stärksten Seemacht des Mittelmeeres. Mit dem Handel blühten die Künste, die Malerei der Bellinis, Tizians und Tintorettos sowie die Architektur, die noch heute das einzigartige Stadtbild prägt. Die Kunststadt Venedig florierte auch weiter, als die politische Macht der Dogenrepublik ihrem Ende zuging, und der Mythos der Stadt wurde bis ins 20. Jahrhundert in Meisterwerken der Literatur und des Films besungen. Arne Karsten bietet eine knappe und äußerst lebendige, von zahlreichen Abbildungen begleitete Darstellung der politischen und wirtschaftlichen, der sozialen und der künstlerischen Entwicklungen der Serenissima.
Wieso konnte ich in der größten Buchhandlung Berlins, dem Haus, wo man kulturvoll Kultur voll kaufen kann, dieses vorzügliche Buch weder unter Geschichte/Italien und auch nicht unter Reisebücher/Italien/Venedig finden? Hoffentlich doch, weil es gerade mal ausverkauft war und weitere Exemplare nicht so schnell herangeschafft werden konnten!
Das ist eine populäre Darstellung vom einem Fachmann, die gut lesbar, anschaulich und nicht überfrachtet ist. Als Perfektions- und Fußnotenfanatiker vermisse ich natürlich genaue Quellenangaben, aber das kann ich hier, wo nichts untergelegt wird, wenn keine auslegbaren Quellen da sind, verschmerzen. Aber Arne Karsten sagt und beachtet es auch (S. 29, 31, 54f.), daß rechtliche Normen und andere Schriftstücke durchaus different zur Alltagsrealität sind (ich verallgemeinere hier bewußt ein wenig, denn das soll ja auch heute noch vorkommen) und die Denk- und Verhaltensweisen in früheren Zeiten andere waren, als heute. Die sozialen und Verwaltungsstrukturen Venedigs werden ausreichend (S. 56-59, 84-95, 101-109, 207-211, 239-242) umrissen (für perfektionische Erbsenzähler gibt es ja Spezialliteratur), ebenso Handel und Wirtschaft (S. 64-70, 117-123, 152-159, 202-206). Natürlich ist auch von Kriegen und politischen Verwicklungen die Rede, von Katastrophen und Zeremonien und viel natürlich von Architektur und Kunst.
Eine gute Literaturliste und ein Personenregister ist vorhanden. Den Venedig-Stadtplan auf dem Vorsatz muß ich aber kritisieren: Hier wären unbedingt Veränderungen im Verlaufe der Entwicklung kenntlich zu machen gewesen. Auch der Plan der Lagune hinten ist erläuterungs- und erweiterungsbedürftig. Das läßt sich ja mit einer Neuauflage machen und auch weitere veranschaulichende Karten könnten dann hinzugefügt werden.
Arne Karsten hat auch ein Buch über den Bildhauer und Baumeister Gianlorenzo Bernini verfaßt (Bernini. Der Schöpfer des barocken Rom. München 2006, 2007), das so gut ist, daß es flugs in Italienische übersetzt wurde. Seine Arbeiten über Grabmähler sind vielleicht ein wenig zu speziell, um wirklich populär zu sein. Aber vielleicht läßt sich das ja bei diesem Thema noch machen, wenn er sich mit den interessanten, teilweise in ihrer Art ungewöhnlichen und weltweit einmalig-skurrilen Grabmälern in Venedig befaßt. Ich muß bei dieser Gelegenheit auch auf die "Kurze Geschichte Venedigs" von Gherardo Ortalli, Giovanni Scarabello (Deutsch Milano 1999, Pisa 2008; zuerst Ital. Roma 1990) aufmerksam machen, denn sie ist auf Deutsch in diesem Jahr in 2. Auflage in Pisa (Pacini Editore S.p.A.) erschienen, im Deutschen Buchhandel bislang aber nicht erhältlich. Dieses ebenso vorzügliche Buch ist keineswegs eine Konkurrenz zu dem Arne Karstens, vielmehr ergänzen sich beide ausgezeichnet. Fragen Sie also ihren Buchhändler nach beiden, vielleicht entsteht ja so auch ein Nachfragesog Deutschland-Italien.
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