Fabian reist 1975 zum ersten Mal nach Dresden. Er kommt bei Freunden der Eltern unter. Der Student aus Köln will sehen, ob das Leben in der „Ostzone“ wirklich so schlecht ist, wie sein Vater immer behauptet. Fabian freundet sich schnell mit Gleichaltrigen in Sachsen an und verliebt sich Hals über Kopf in Anne. Diese Verwirrung der Gefühle wird rasch eingeholt vom Alltag im geteilten Deutschland, und als Fabian ein Jahr später erneut nach Dresden reist, ist Anne verheiratet und hat ihren Sohn Leo zur Welt gebracht. Was trotz des Eisernen Vorhangs eine große Liebe hätte werden können, entwickelt sich über die Jahre zu einer tiefen Freundschaft. Fabian kommt fast jedes Jahr, sucht Annes Nähe, erlebt, wie ihr Bruder Kai durch die Elbe schwimmend in den Westen will und scheitert. Während Kai sich im Hass auf das DDR-Regime der Familie entzieht, ist dessen Vater Ekki weiterhin davon überzeugt, dass die DDR reformfähig ist. Am 1. Oktober 1989 sitzt Kai im Zug von Prag nach Hof, und Fabian trifft sich mit Anne in Ostberlin.
Michael Göring schreibt eine Liebeserklärung an eine Dresdener Familie und erzählt von den entscheidenden Jahren von 1975 bis 1989. Eine bewegende Familiengeschichte, in der auch beim Westbesucher einiges in Unordnung gerät.
Berührendes und authentisches Familienporträt gegen das Vergessen
Christian1977 aus Leipzig am 10.08.2021
Bewertungsnummer: 1547671
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Fabian ist 20, als er 1975 erstmals in die DDR reist, um die Brieffreundin seiner Tante und deren Familie in Dresden zu besuchen. Es entwickelt sich eine langjährige Freundschaft, in deren Verlauf Fabian merkt, wie sich die Hoffnungen und Wünsche der Familie Gersberger ändern. Und auch Fabian selbst verändert sich durch seine Erfahrungen in dieser Familie - und deren unerschütterlichen Zusammenhalt...
Von Michael Göring kannte ich bisher den wunderbaren Vorgängerroman "Hotel Dellbrück", und auch "Dresden - Roman einer Familie" hat mich überzeugt und berührt. Das Besondere ist vor allem die große Empathie, die der Autor seinen Figuren zukommen lässt. Ihre Ängste und Probleme nimmt er ernst, für ihre Fehler zeigt er Verständnis. Dadurch überträgt sich die familiäre Wärme des Romans fast zwangsläufig auf die Leser:innen. Zudem verurteilt er die DDR nicht, ist aber auch weit von einer "Ostalgie" entfernt.
In wechselnden Kapiteln begleitet man einerseits die Freundschaft Fabians zur Familie Gersberger in den Jahren 1975 bis 1989, während andererseits die Flucht Kais - des Sohns der Familie Gersberger - 1989 über die Prager Botschaft in den Westen geschildert wird. Diese Konstruktion gelingt Michael Göring sehr gut, sie sorgt für Abwechslung und spannende Momente. Gleichzeitig betrachtet man mit Faszination die Dialoge des Romans und Geschehnisse in der DDR, aus denen man fast beiläufig sehr viel Wissenswertes aus der finalen Phase des Staates erfährt. Gerade mit dem Wissen, dass einen Monat später die Mauer fallen sollte, erlebt man so fast ungläubig die Anstrengungen Kais auf seinem Weg in den Westen.
Die angesprochenen Dialoge sind dabei zugleich Stärke und Schwäche von "Dresden". Einerseits wirkt es ungemein authentisch, wenn sich die Figuren über ihre Nöte und Freuden austauschen, und lässt die Menschen zu Wort kommen, die diese Zeit wirklich miterlebt haben und oft ungehört bleiben. Auf der anderen Seite wird der Dialog als Stilmittel fast erschöpfend eingesetzt, so dass kaum Raum und Zeit für innere Monologe und Gedanken der Figuren bleiben.
Ein weiterer kleinerer Kritikpunkt ist die Schattierung der Charaktere. Zwar benötigt nicht jeder Roman einen klassischen (Anti-)Helden, doch bei "Dresden" hatte ich vor allem bei den Eltern Gersberger - Gabi und Ekki - das Gefühl, dass sie einfach zu gut sind, um wahr zu sein. Vielleicht ist das eine zynische oder abgeklärte Sicht, doch streckenweise fühlte ich mich durch die alles durchdringende Liebe der beiden ein wenig übersättigt.
Doch kann man das Michael Göring zum Vorwurf machen? Der Autor selbst hat seit mehr als 45 Jahren Freunde in Dresden, wie wir im Nachwort erfahren. Sollte er also eigene Erfahrungen dieser Freundschaft in die Romanhandlung eingeflossen haben lassen, so spürt man stark diese freundschaftlichen Gefühle - und die Liebe zu seinen Figuren.
Und letztlich ist diese Wärme, die der Roman von Beginn bis zum Ende ausströmt, auch das, was mich stark berührt hat. Der finale Kniff war da zwar keine große Überraschung mehr, ändert jedoch nichts an der Qualität dieses lesenswerten Buches. Michael Göring leistet mit ihm im Jahr, in dem wir auch dem Mauerbau vor 60 Jahren gedenken, einen wunderbaren Beitrag gegen das Vergessen, den ich dringend auch jüngeren Leser:innen empfehlen kann, die die DDR heutzutage vielleicht nur noch aus den Geschichtsbüchern kennen.
1975 reist Fabian mit seinem Freund Till das erste Mal vom westfälischen Köln/Paderborn zum ersten Mal über die deutsch-deutsche Grenze nach Quedlinburg zum Onkel der Familie und nach Dresden zu den Gersbergers, zu der seit über 20 Jahren eine Brieffreundschaft besteht.
Nach seinem ersten Besuch reist Fabian, mal alleine, mal zusammen mit Till, jährlich nach Dresden bzw. in die DDR, einerseits um ein unbekanntes Land, andererseits auch, um sich selber kennenzulernen und erlebt bei seinen Besuchen in Dresden eine für ihn bis dato unbekannte zwischenmenschliche Wärme der Familie, die ihn verändert und die er zu schätzen lernt.
Bei seinem ersten Besuch verliebt sich Fabian in Anne, die Tochter der Gersbergers und muss ein Jahr später feststellen, dass sie bereits geheiratet hat, was ihn zwar kränkt, jedoch nicht von Besuchen im Osten abhält. Denn Kai, 1975 15 Jahre alt und Sproß der Familie, sucht den Kontakt zu Fabi und Till.
Von Anfang an entwickelt sich eine wunderbare Freundschaft zwischen allen Protagonisten, die einem einen spannenden Einblick in das Leben in der “Zone” mit all seinen Problemen gibt. Dies reicht von der “Bückware” in Geschäften der DDR bis hin zu innerfamiliären Konflikten zur Haltung zum Staat. Auf der einen Seite ist Kai, der sich als der Familie in seiner radikalen Abneigung zum politischen System und zwei Fluchtversuchen entzieht, sowie sein Vater Ekkehard, Ingenieur und Hochschullehrer in Dresden, der nach dem ersten Fluchtversuch seines Sohnes über die Elbe nicht mehr zu Tagungen ins westliche Ausland darf, aber an eine Reformierbarkeit des Systems von innen heraus glaubt.
Abschließend lässt sich sagen, dass es ein fesselnd geschriebener Roman ist, der einem Einblicke in das Leben der DDR bietet und Probleme ebenso wie die kleinen Freuden des Lebens aufzeigt.
Dabei gelingt es Michael Göring, der selber als Student in den Vorwendejahren in die DDR gereist ist, vielleicht auch bereits Vergessenes der DDR Geschichte, wie etwa den Zwangsumtausch von D-Mark in DDR Mark, die Bedeutung Westpakete etc. wieder ins Bewusstsein zu rufen.
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