Seine Wissenschaft von den Bakterien hat Robert Koch als totalen Krieg gegen das Unsaubere erfunden. Unsauber ist alles, was fremd ist. Und das unsaubere Fremde ist ansteckend. Ansteckung produziert angesteckte Massen. Die verseuchte Masse macht Aufstand. So sind Seuche und Aufstand vom selben schrecklichen Fleisch. In drei Episoden wird erzählt, wie eine solche Haltung zu Beginn des 20. Jahrhunderts im sauberen Berlin entsteht, und zu welch unmenschlichen Folgen sie zwangsläufig führt. Das kranke, aufsässige Afrika, für Koch das Unsaubere schlechthin, muss mit Menschenversuchen in concentration camps gesäubert werden. In New York dann erweist sich die Seuchenbekämpfung nach seinen Prinzipien als Zuchtinstrument gegen all jene, die unbelehrbar an der Hoffnung auf ein besseres Leben festhalten. Nun kommen Koch selber Zweifel.
Michael Lichtwarck-Aschoff hat viele Jahre als Intensivmediziner in Augsburg gearbeitet sowie in München, Basel, Freiburg und Uppsala geforscht und als außerplanmäßiger Professor für Anästhesiologie und Intensivmedizin gelehrt. Nach dem Ende seiner Klinikarbeit bedenkt er schreibend, was das wohl sein könnte: die Medizin.
Meine Meinung
Vor 111 Jahren, am 27.05.1910 ist Robert Koch gestorben. Der Mann, dessen Name uns nun schon seit Beginn des Coronaausbruchs in Deutschland im Jahr 2020 begleitet. Denn das Robert-Koch-Institut ist die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention, wie man auf der Seite des RKI nachlesen kann.
Wer war Robert Koch, dass so ein wichtiges Institut nach ihm benannt wird?
Er entdeckte den Tuberkulose-Erreger, entwickelte das „Tuberkulin“, erforschte die Cholera und entwickelte neue Forschungsmethode und Färbetechniken, mit denen man Bakterien nachweisen konnte. Dies lesen wir unter anderem im ersten Teil des literarischen Sachbuchs von Michael Lichtwarck-Aschhoff.
Hier treffen wir auch auf den Arzt und Mikrobiologen Walther Hesse und seine Frau Fanny, mit deren Hilfe über Agar-Agar, dem pflanzlichen Geliermittel, Bakterien festgesetzt und vermehrt werden konnten.
Im ersten Teil erfahren wir auch, wie Koch die „gesunden Bazillenträger“ Kopfzerbrechen bereiteten. Denn, wo Bazillen waren, gab es Krankheiten. Wie konnten also Leute von Bazillen befallen sein und keine Krankheitssymptome haben? Wie und durch welche Maßnahmen Robert Koch die Typhus-Epidemie in Trier unter Kontrolle zu bekommen versuchte, bereitet die Leserschaft etwas auf den zweiten Teil in Deutsch-Ostafrika vor.
Über Johann Kindsmüller, der als Soldat Teil der zweiten Expeditionsgruppe nach Afrika an den Viktoriasee war und deswegen in psychologischer Behandlung ist, die nunmehr schon 20 Jahre andauert, wird die Leserschaft in das dunkelste Kapitel von Robert Kochs Seuchenbekämpfung mitgenommen. Die Schuld, die Robert Koch und alle Teilnehmenden dort auf sich geladen hatten, in dem sie die an der Schlafkrankheit erkrannte afrikanische Bevölkerung in abgeschotteten Lagern zusammenpferchten und sie als menschliche Versuchsopfer missbrauchten, mit Gift behandelten und trotz aller Nebenwirkungen, wie dauerhaften Erblindungen, weiter machten, ist sehr groß.
Dieser zweit Teil ist voll von Rassismus, Unterwerfung, Unterdrückung, Ausrottung der Seuche, des Schlechten, des Aufstandes (Maji-Maji-Aufstand) der Bevökerung als Vorbereitung der Kolonialisierung und den Bau der Usambarabahn in Deutsch-Ostafrika.
„Der Professor glaubte, an den Gleisen, das sei die Seuche. Er selbst würde mit dem größeren Teil des Expeditionskoprs, wie geplant, weiter zum Victoria-See ziehen. Oberarzt Stuhlinger sollte die Lage an den Gleisen aufklären und das Notwendige veranlassen. Der Professor gab ihm freie Hand zu tun, was eben getan werden musste. Was immer es kostete.“ (Buch S. 109)
Nach alledem fällt es nicht schwer nachzuvollziehen, warum der Patient Kindsmüller in all den Jahren diese Expeditionsreise psychisch nicht verarbeiten konnte. Dabei verarbeitet der Autor geschickt einige Originalzitate Kochs, die offenlegen, um was es auf dieser Expedition ging.
Danach geht es zum dritten und letzten Teil, der seitenmäßig recht kurz ist, nach New York, wo Robert Koch Mary Mallon kennenlernen sollte, die als „Typhoid-Marry“ bekannt wurde. Sie war eine gesunde Typhus-Trägein, die nie erkrankte aber über Jahre hinweg viele Menschen ansteckte und dafür auf Lebenszeit eingesperrt wurde. Doch Koch lernte Mary nie persönlich kennen, da er dort selbst erkrankte und unwürdige Darmspülungen über sich ergehen lassen musste.
„Ich halte gar nichts von der Vorstellung Ihres deutschen Herrn Koch wir seien eine Art Gefäß, das möglichst sauber gehalten werden muss, nichts Fremdes darf sich darin aufhalten, das Fremde sei schon die Krankheit.“ (Buch S. 275)
Letztendlich ist dies ein spannendes Buch über den Mikrobiologen Robert Koch, der bei näherer Betrachtung aus heutiger (und vielleicht auch damaliger) Sicht ein bisschen zu stark seinem Forscherdrang nachgab und damit seine vermeintliche „weiße Weste“ beschmutzte.
Der Autor Michael Lichtwarck-Aschoff betrachtet in seinem Buch Abschnitte aus Robert Kochs Leben und wirken, über die diskutiert werden darf und soll. Es sind die zwei Seiten der „Forschungs-Medaille“, die betrachtet werden müssen. Was darf Medizin, was darf Forschung? Wo wären wir heute ohne solche Forscher und Entdecker? War es der damalige Zeitgeist oder spielt auch Gesinnung eine große Rolle? Und gerade auch in Verbindung mit der derzeitigen Forschung und Suche nach einem Impfstoff gegen Covid-19 und die Immunisierung der Menschen, wie weit darf gegangen werden, um Massen zu retten? Wie sollten Impfstoffe verteilt werden und wie sieht es praktisch aus?
Fazit
Ich habe sehr viel gelernt durch dieses Buch. Die weitere Recherche über die Geschehnisse und Personen, die im Buch vorkommen, haben mein Wissen in den Bereichen deutsche Kolonialgeschichte, medizinische Forschung und Mikrobiologie erweitert. Noch besser hätte es mir jedoch gefallen, wenn diese drei Teile ausgewogener und feiner miteinander verbunden gewesen wären. Obwohl der Autor im Nachwort erwähnt, dass die Episoden im Buch fiktional sind, hätte ich gerne deutlicher gewusst, was genau ausgedacht war und was nicht, ohne alles recherchieren zu müssen. Eine Auflistung der echten und der erfundenen Personen hätte mir auch schon weitergeholfen. Dennoch ein außergewöhnliches Buch in außergewöhnlichen Zeiten, das sich zu lesen lohnt!
Der Nobelpreisträger Robert Koch war ohne Frage eine Koryphäe auf seinem Gebiet und ging als Lichtgestalt in die Medizingeschichte ein. Doch es gibt auch Schatten auf seiner weißen Weste. Michael Lichtwarck-Aschoff beleuchtet diese und bringt dem Leser den Bakterienforscher und seine Beweggründe näher.
Meine Meinung:
Näheres über den berühmten Bakteriologen, dessen Name gerade heutzutage ständig zu hören ist, zu erfahren, fand mein Interesse. Mit dem Buch „Robert Kochs Affe“ habe ich mich jedoch schwergetan und kam nur schleppend voran.
Es ist in drei Abschnitte eingeteilt. Zuerst erfährt man über die Lebens- und Arbeitsweise Kochs im Berlin von 1903, in der ein Affe in Husarenuniform eine tragende Rolle spielt. Die Sinnhaftigkeit hat sich mir nicht wirklich erschlossen.
Dann, den größten Teil des Buches einnehmend, erfahren wir über Kochs Expedition ins „Schutzgebiet“ Deutsch-Ostafrika, wo er versucht, der Schlafkrankheit, die von der Tsetsefliege übertragen wird, Herr zu werden. Hier erfährt der Leser mittels eines Überlebenden der Expedition von unmenschlich anmutenden Versuchen an den Eingeborenen, um auf Teufel komm raus die Kolonisierten zu schützen. In seinem Wahn, dass der menschliche Körper ein absolut reines Gefäß sein muss, überschreitet er viele Grenzen und führt einen skrupellosen wie erfolglosen Kampf. Seiner Meinung nach müssten ganze Landstriche vernichtet, die Infizierten in Lagern separiert werden. Vieles wiederholt sich in diesem Abschnitt und es wird zwischendurch ziemlich langweilig, wobei die vorgenommenen Untersuchungen bzw. Heilungsversuche echtes Entsetzen auslösen.
Im dritten für mich eigentlich interessantesten Teil schließlich geht es um „Typhoid Mary“ in New York. Die aus Irland eingewanderte Mary Mallon war ein sogenannter „gesunder Träger“ von Typhusbazillen. Selbst nie erkrankt, steckte sie zahllose Menschen, in deren Häusern sie als Köchin arbeitete, unbewusst an. Drei starben, viele überlebten nur knapp. Sie wurde daraufhin zeit ihres Lebens, an die 26 Jahre, in Quarantäne weggesperrt. Koch, 1908 auf Amerikareise, will ihr helfen, erkrankt jedoch selbst schwer und muss sich über Monate einiger Prozeduren unterziehen, die er unbekümmert über Jahre seinen Probanden zumutete. Möglicherweise hat ihn das ein wenig zum Umdenken gebracht.
Der Schreibstil des Autors weiß in großen Teilen zu überzeugen, ist mitunter dennoch schwer verdaulich. Streckenweise ein wirklich zähes Lesevergnügen. Wissenschaftlich Interessierte könnten dennoch Gefallen daran finden, Robert Koch bei seinen Versuchen, die Welt von Erregern zu befreien, über die Schulter zu schauen.
Dieses Buch erzeugt so bedrückende Bilder, daß man hin und wieder Pausen beim Lesen einlegen muß. Die historisch belegten Fakten der Robert-Koch-Expedition kommen in fiktiver Erzählung zur Sprache, indem ein Beteiligter versucht, seine Erinnerungen und Albträume im Gespräch mit einem Nervenarzt zu öffnen und zu klären. Daraus entsteht ein Mosaik aus arroganter Kolonialherren-Mentalität und skrupellosem Erfolgsdrang, der oft stärker war als tatsächliche wissenschaftliche Erkenntnis. Bewegend, erschütternd und kaum zu glauben!
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