Bernhard Weßling ist das, was man gemeinhin ein Multitalent nennt. Er hat Chemie studiert und promoviert, ist also ein Forscher und Wissenschaftler. Ist aber auch Fotograf und Naturschützer, auf einem Biobauernhof tätig und also auch unternehmerisch aktiv. Nicht nur hierzulande, sondern auch im fernen Osten. Er hat dreizehn Jahre in China gelebt und mit einigem Erfolg ein Unternehmen aufgebaut und geführt. Er hat aber auch das Land bereist und die Menschen dort studiert. Er tat dies frei von den üblichen Vorurteilen und ohne jede Scheu. Natürlich glich das Eintauchen in eine völlig fremde Kultur einem Sprung ins kalte Wasser. Aber er lernte nicht nur Chinesisch, sondern auch schnell in dem Wasser schwimmen.
Weßling versteht seine Aufzeichnungen weder als Reiseratgeber noch als Handreichung für Geschäftsleute, es ist kein Nachschlagewerk und auch keine politische Analyse. Bernhard Weßling berichtet, was er sah und hörte. Mehr nicht. Das unterscheidet ihn allerdings von den meisten Autoren, die über China schreiben und eigentlich nie dort waren.
Bernhard Weßling berichtet in seinem neuen Buch Mein Sprung ins kalte Wasser über sein Leben und seine Arbeit in China. Als promovierter Chemiker verbachte er dort mehr als 13 Jahre, um seinem deutschen Unternehmen einen Platz am Weltmarkt der Leiterplatten zu sichern. Das Buch kann durchaus als Autobiographie beschrieben werden und besteht aus Weßlings Erfahrungen im Land der Mitte, die häufig im Gegensatz zu Aussagen anderer Autor:innen stehen (z.B.„Chinesische [Handwerker] machen alles nur halb passend, niemals perfekt, chinesische Handwerker denken immer, irgendwie passt es schon.“ S.379). Anstatt, wie es unter Ausländern üblich ist, sich untereinander zu treffen, geht Weßling ihnen erst recht aus dem Weg und widmet sich denselben Aktivitäten wie Shenzhens Einheimische. Jede Woche Fußball spielen und Kontakte zu den Einwohnern der Straße halten, dabei lernt er das Land von innen kennen. Jedoch muss auch betont werden, dass Bernhard Weßling sich schon seit 1999 regelmäßig in China aufhielt und sich in diesem Zeitraum von mehr als 20 Jahren einiges getan hat, wie auch durch die Erläuterungen der E-Busse in Shenzhen klar wurde und der immer weiter fortschreitende Handelskrieg zwischen den USA und dem Land der Mitte beweist.
Der Unternehmer selbst ist von der Vielseitigkeit des Landes so fasziniert und begeistert, dass er nach seiner 13-jährigen Karriere in China mit seiner Lebensgefährtin das kulturell vielschichtige Land bereist und natürlich fotographisch dokumentiert. Immer wieder tauchen Bilder in dem Buch auf, die das Leben in dem fernen Land eindrücklich schildern und Weßlings Interesse und Teilhabe an der Gesellschaft und Kultur verdeutlichen. (Die schwarz-weiß Abdrucke findet man auch auf Weßlings Website in Farbe.) Auf den 400 Seiten sieht man nicht nur den Erfolg des deutschen Geschäftsmanns in China, sondern liest auch über seine eigenen Fehler, die er selbstkritisch betrachtet und zur Vorsicht warnen. Obwohl der Großteil sich um die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse drehen und der Autor eine recht neutrale Meinung hat, kommt am Ende des Buches noch scharfe Kritik an anderen Autor:innen auf, die voller Vorurteile über „die Chinesen“ und „das China“ geschrieben haben, die es jedoch nicht gibt, da jede Provinz, Stadt, sogar jeder Bezirk sich anders verhalten kann und „die Chinesen“ das Gegenteil eines einheitlichen Volks sind. Hier würde man sich ein ausführliches Quellenverzeichnis wünschen, um die kontroversen Zitate zuordnen zu können. Mein Sprung ins kalte Wasser bringt definitiv eine andere Sichtweise auf das Land der Mitte, vor allem für diejenigen, die Erfahrungen der Theorie vorziehen.
Ein chinafreundliches Buch? In diesen Zeiten? Ist das überhaupt möglich? Der Autor Bernhard Weßling zeigt, dass es geht. Er richtet seinen Blick auf die Menschen in China. Menschen, die er dort während seines 13-jährigen beruflichen Aufenthalts als Unternehmer persönlich kennen gelernt hat: „Auf jeden Fall also beschreiben meine Geschichten reale Facetten des chinesischen Lebens, aber nicht DAS chinesische Leben. Ich beschreibe etwas vom Leben in China, wie es tagtäglich stattfindet, vielfältig und ganz anders, als man es so liest, ganz anders, als ich es erwartete, und ich werde auch nach Abschluss dieses Buches, überall und immer wieder Beobachtungen erleben, die anders sind, als wir sie erwarten (und anders, als ich sie erwarten würde und hier beschreibe). Ich beschreibe nur, was ich in den vielen Jahren mit den vielen Chinesen, die mich umgeben haben, erlebt habe; Erlebnisse mit den Chinesen, die ich auf den Straßen kennen lernte, Chinesen, mit denen ich einen Teil meiner Freizeit verbrachte, Chinesen, mit denen ich gearbeitet bzw. Geschäfte gemacht habe.“ (Vorwort, S. 11-12).
Bernhard Weßling ist aufmerksamer Beobachter, zumeist neutral und unvoreingenommen, er wertet nicht vorschnell, pauschalisiert und verallgemeinert nicht zu sehr. Eine Fähigkeit, die er sicherlich auch seiner großen Leidenschaft verdankt, der Vogelkunde (vgl. Weßling: Der Ruf der Kraniche. Goldmann 2023). Dem Autor geht es nicht darum, „heiße politische Eisen“ zu thematisieren. Es geht ihm viel mehr darum, den Blick des Lesers auf China und auf die Menschen dort zu erweitern, und auf diese Weise Verständnis für Angehörige einer für uns fremden Kultur zu fördern.
(…)
Wer gerne etwas über China erfahren möchte und dabei an einem differenzierten Bild interessiert ist, das an konkreten Beispielen und Erfahrungen verdeutlicht wird, der sollte dieses Buch lesen. Der Autor führt vor, wie man dem Fremden begegnen sollte: unvoreingenommen, aufgeschlossen und offen, mit Bereitschaft sich auf das Fremde einzulassen, es zu akzeptieren, nicht voreilig zu werten und mit den Menschen auf persönlicher Ebene wertschätzend umzugehen. Darüber hinaus sollte man für die Lektüre dieses Buchs an dem Menschen Bernhard Weßling interessiert sein, schließlich ist es ein sehr persönliches Buch. Es liest sich jedenfalls sehr eingängig. Der Erzählton ist schwungvoll-lebendig, oft humorvoll und selbstironisch.
Aus meinem persönlichen Kontakt mit dem Autor erfuhr ich, was er potentiellen Lesern gerne mit auf den Weg geben möchte, vor allem auch solchen Lesern, die beruflich in China tätig sind, waren oder sein werden: „wirklich erfolgreich kann man in China nur sein, wenn man sich den Menschen zuwendet, sie respektiert, ihre Sprache lernt, von ihnen lernen will, ihre Sorgen, Nöte, Ziele, Stärken und Schwächen kennen lernen und berücksichtigen will“ (Bernhard Weßling am 15.09.23 per Mail).
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