Zwei junge Menschen verlieben sich, aber der Krieg reißt sie auseinander: Das ist die Geschichte von Léon und Louise. Sie beginnt mit ihrer Begegnung im Ersten Weltkrieg in Frankreich an der Atlantikküste – dann trennt sie ein Fliegerangriff. Lange halten sie einander für tot. Bis sie sich 1928 in der Pariser Métro zufällig wiederbegegnen.
Ich musste erst ein paar Tage verstreichen lassen, bis ich anfangen konnte, diese Rezension zu schreiben.
Mein erster Eindruck war: Die Geschichte kommt mir bekannt vor. Ich dachte, ich hätte sie schon mal als Film gesehen. Wie sich dann aber herausstellte, gibt es den noch nicht. Ein Zustand, der möglichst schnell geändert werden sollte, wie ich finde. Auf den Schreibstil werde ich gleich zwar nochmal genauer eingehen, aber er ist eindrucksvoll, sodass dem Leser automatisch ein Film vor Augen steht. Vom Stil hätte es tatsächlich auch ganz gut ein typischer französischer Film sein können.
Gleich vorwegnehmen möchte ich, dass eine Freundin von mir das Buch ebenfalls gelesen hat und noch viel begeisterter ist als ich. Sie hat mich dazu gebracht, das Buch endlich in die Hand zu nehmen und dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Was hatte ich erwartet? Eine Liebesgeschichte mit Ups und Downs. Vielleicht auch sehr klischégeladen. Was habe ich bekommen? Eine Liebesgeschichte, aber nicht nur zwischen den beiden Protagonisten, sondern mit dem Leben selbst. Ja, es gibt Aufs und Abs, aber sie wirken hier nicht dramatisch, sondern sehr realistisch. Beide Liebenden zeigen ein Urvertrauen in das Leben und sich selbst. Sie haben keinen Anspruch, ein Leben in Poesie zu leben, sondern machen ihr eigenes, so wie es ist, zu ihrer besonderen Art von Kunst.
Interessant ist die Erzählperspektive: Zwar ist es ein neutraler Erzähler, aber trotzdem wird eine Sicht in die Gedankenwelt der einzelnen Charaktere offenbart. Der Erzähler gibt sich auch zu Bekennen und wendet sich zum Teil direkt an den Leser. Es ist zwar kein beeindruckender Fakt, wer der Schreiberling ist, da er aber Teil der erzählten Welt ist, möchte ich nicht spoilern. Was mir aber beim Lesen Kopfzerbrechen bereitet hat, ist der Umstand, dass der Erzähler auch so viele Dinge weiß, die er eigentlich gar nicht wissen kann. Auch nicht durch Tagebucheinträge. Manchmal stellt er auch nur Vermutungen an, aber durch die Art, wie er diese ausholend aufwirft, wirkt es dann doch wie ein unumstößlicher Fakt.
Das soll keinesfalls Kritik sein, sondern nur den paradoxen Charakter der Erzählung herausstellen. Ich habe auch mit der besagten Freundin darüber gesprochen und die hat das gar nicht gestört.
Neben dem Schicksal der beiden Protagonisten, die von zwei Kriegen gezeichnet sind, werden auch politische und geschichtliche Umstände diskutiert. Das war umso interessanter, da wir uns ja in Frankreich befinden. Sonst lese ich über die NS-Zeit meistens aus deutscher Perspektive.
Auch ungewohnt, aber nicht unwillkommen, war in diesem Zusammenhang der heitere, hoffnungsvolle Grundton der Erzählung. Ähnlich wie Léon und Louise selbst es anmuten, legt auch der Erzähler ein gewisses Urvertrauen an Das Leben, á la es kommt schon so, wie es kommen soll, an denTag.
Was ich ein bisschen schade fand, war, dass ich im Gegensatz zu Léon keinen richtigen Zugang zu Louise finden konnte. Klar, sie ist eine sehr starke Person und etwas Besonderes. Etwas kalt und unabhängig, vielleicht auch dominant. Aber den Zauber, den Léon in ihr gesehen hat, den konnte ich leider nicht erfassen. Aber vielleicht ist es auch wichtig, dass er dieses Geheimnis selbst vor dem Leser bewahren kann...
Nun zum Schreibstil. Hmm, wie soll ich das erklären? Ich denke, dass die zahlreichen hier aufgeführten Zitate es besser zeigen, als ich es beschreiben kann. Eine ganz besondere und schöne Note. Sie zeugt von einer sehr durchachten Art zu denken. Ganz klar: Es steckt ein verkopfter Mensch dahinter. Jemand, der sich über alles den Kopf zerbricht und gleichzeitig das Talent hat, den Nagel auf den Kopf zu treffen. Aber dafür mit dem Hammer ganz weit ausholen muss. Dadurch ergeben sich Gedanken, die mir auch bereits durch den Kopf geschworren sind und sicherlich niemand für sich gepachtet hat. Aber so klar vor Augen wie hier hatte ich sie nie.
Besonders war auch die Art, mit der Vorausdeutungen gemacht wurden. Der Erzähler hat selbst kleinste Details so verkauft, als wenn sie teleologisch motiviert wären. Als gäbe es gar keine andere Möglichkeit, damit alles so endet, wie es endet.
Das Ende... Könnte das Leben selbst geschrieben haben, so wie es da steht.
Ein ganz besonderes Buch voller vieler einprägsamen Szenen. Und trotzdem denke ich immer noch, mir würde ein Puzzle-Stück fehlen. Vielleicht ist es aber auch einfach die Ehrlichkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt. Ich weiß nicht, ob ich an Léons oder Louises Stelle sein möchten, trotz dem Besonderen, was die beiden miteinander teilen.
Noch einen Punkt möchte ich thematisieren: Eignet sich der Roman für die Schule? Meine Freundin sagt: Nein. Denn was sollten die Jungs in der Zeit machen? Und was soll man im Unterricht besprechen?
Ich bin mir nicht sicher. Der Schreibstil ist schon eine Kuriosität. Sicherlich könnte man Erzähltheorie an diesem Beispiel hervorragend thematisieren. Aber sie hat Recht: Entweder, man holt inhaltlich aus, oder lässt das ganze Buch weg. Die Schüler, vor allem mit den historischen Ereignissen, allein zu lassen, halte ich für keine gute Idee. Deswegen bietet sich eine Kooperation mit dem Geschichtsunterricht an.
Und allen männlichen Lesern möchte ich an dieser Stelle Mut machen, es doch einfach mal zu versuchen. Immerhin ist unser Protagonist auch ein waschechter Kerl.
"Léon und Louise" ist wirklich eine der schönsten und berührendsten Liebesromane, die ich jemals gelesen habe. Es ist eine Geschichte, die sich vom ersten bis über den zweiten Weltkrieg erstreckt - die beiden verlieren sich aus den Augen, und treffen sich erst viel später wieder... Doch Léon und Louise halten an ihrer Liebe fest, und davon erzählt Capus in seinem unverwechselbaren Erzählton: Mit Leichtigkeit, humorvoll und auch ernst, bittersüß und versöhnlich und ganz ohne Kitsch.
Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.
Eine Liebe, die für beide ein eigensinniges und fast komisches Doppelleben bedeutet.
Eine Liebe, die fast siebzig Jahre hält und eingebettet ist in genau diese Anzahl an Jahren der Zeitgeschichte.
Kurze Frage zu unserer Seite
Vielen Dank für Ihr Feedback
Wir nutzen Ihr Feedback, um unsere Produktseiten zu
verbessern. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihnen keine Rückmeldung geben können. Falls Sie
Kontakt mit uns aufnehmen möchten, können Sie sich aber gerne an unseren Kund*innenservice wenden.