Der Bienenzüchter Sergej lebt im Donbass, wo ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten Tag für Tag aufeinander schießen. Er überlebt nach dem Motto: Nichts hören, nichts sehen - sich raushalten. Ihn interessiert nur das Wohlergehen seiner Bienen. Denn während der Mensch für Zerstörung sorgt, herrscht bei ihnen eine weise Ordnung. Eines Frühlings bricht er auf: Er will die Bienen dorthin bringen, wo sie in Ruhe Nektar sammeln können.
Als ich das Buch in der Hand hielt hatte ich Bedenken, ob diese Lektüre zur jetzigen Zeit nicht zu bedrückend ist. Schnell zeigte sich aber, dass diese Bedenken unnötig waren, denn Kurkow schafft es über ein schweres Thema und über schlimme Ereignisse zu schreiben, ohne dass er dem Leser mit seiner Geschichte eine zu große Last aufbürdet. Einen großen Anteil daran hat Protagonist Sergej, der trotz prekärer Lebensumstände und einiger Rückschläge nicht den Optimismus verliert und versucht immer das beste aus seiner Lage zu machen.
Der erste Teil der Geschichte spielt im Dorf mit seinen zwei letzten Einwohnern. Bisher wurde nur die Kirche durch einen Granateinschlag zerstört. Bei den Straßen und Wegen hat sich Sergej längt daran gewöhnt an welchen Stellen er geschickt die Granatentrichter umgehen muss. Auch das Heizen und Kochen mit einem Kohleofen ist für ihn alltäglich geworden; Strom, Fernsehen und Lichter vermisst er nach drei Jahren doch langsam ein wenig. Im zweiten Teil der Geschichte macht sich Sergej dann auf den Weg um seine Bienen in eine ruhigere und fruchtbarere Landschaft zu bringen. Viel Geld hat er nicht, so schläft er die meiste Zeit in seinem Auto oder einem kleinen Zelt. Sein Weg führt ihn quer durch die Ukraine bis zur Krim. Er begegnet dabei ganz unterschiedlichen Menschen, die ihm mal freundlich, mal weniger freundlich gesinnt sind.
Fazit:
Ein großartiges Buch, das von den kleinen Leuten erzählt, die das Pech hatten im von Russland und der Ukraine umkämpften Grenzgebiet zu leben und plötzlich zwischen die Fronten zu stehen.
"Damit nicht auch noch der Honig nach Krieg schmeckt"
Bewertung aus Weeze am 23.08.2019
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
„Es war nicht seine Schuld, dass sein Haus jetzt im Krieg stand. Es stand im Krieg, aber es nahm nicht daran teil. Aus seinem Hof, aus den Fenstern und hinter dem Zaun hervor wurde nicht auf Feinde geschossen, was bedeutete, dass sein Haus keine Feinde haben konnte.“ (S. 432)
Der Bienenzüchter Sergej lebt im Donbass, wo ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten Tag für Tag aufeinander schießen. Seit drei Jahren herrscht Krieg, die Einwohner haben das kleine Dorf in der grauen Zone verlassen, nur Sergej und sein ‚Kindheitsfeind‘ Paschka sind geblieben. Die Not schweißt sie zusammen, aber dennoch beschließt Sergej, seine Bienen aus der Kriegszone zu bringen: Sie sollen in Ruhe ausschwärmen, um ihren Nektar zu sammeln: damit nicht auch noch der Honig nach Krieg schmeckt.
Sein Weg führt ihn zunächst in den ukrainischen Westen, wo zwar kein Krieg herrscht, man ihn jedoch schon bald als unwillkommenen Donbass-Flüchtling vertreibt. Daraufhin macht er sich auf zur Krim, die unter russischer Herrschaft steht. Doch hier wird er Zeuge von Repressalien gegen die Tataren. Langsam und sehr zurückhaltend nähert er sich deren Kultur an und wird sogar seinem Motto „Nichts hören, nichts sehen – sich raushalten“ untreu. Doch eigentlich interessiert ihn nur das Wohlergehen seiner Bienen. Denn während der Mensch für Zerstörung sorgt, herrscht bei ihnen eine weise Ordnung und wunderbare Produktivität.
Der Protagonist, aus dessen Sicht der Leser diesen atmosphärischen Roman erlebt, ist ein einfacher unpolitischer Mann, der sich erinnert und träumt.. Einfühlsam schildert der Autor die bedrohliche Stimmung und das bedrückende, teilweise lähmende Klima in manchen Gegenden, aber auch die Hilflosigkeit gegenüber der Obrigkeit. Doch „Graue Bienen“ spart die realen politischen Vorgänge aus, ohne Stellung zu beziehen. Es ist so viel und gleichzeitig so wenig politisch wie Sergejitsch und liest sich so leicht und gespickt mit leisem herzlichem Humor und Wehmut, wie sein Protagonist selbst. Es ist durchsetzt von der Schönheit, die die Natur zu bieten hat und von Situationen, in denen Menschen zusammenhalten und aus ihrer Not das beste zu machen versuchen. So rückt es auf ernsthaft liebevolle Art die ‚kleinen Leute‘ in den Vordergrund, die alle auf ihre ganz eigene Art versuchen mit dem zurechtzukommen, was von ukrainischen und russischen Machthabern verursacht wurde.
Am Rande erfährt man auch das ein oder andere über Bienen, wobei die entspannende und heilende Wirkung des Schlafens auf Bienenstöcken neu für mich war. Gemerkt habe ich aber auch, dass ich viel zu wenig über den Ukraine-Konflikt wusste, was mich beim Lesen dieses Buches dazu brachte, mich außerhalb weiter zu informieren. „Graue Bienen“ von Andrej Kurkow ist ein Buch, das ich trotz ernster Thematik immer wieder gern zur Hand nahm, weil mich die leise erzählte Geschichte auf ihre ganz besondere Art für sich einnehmen konnte. Eine Empfehlung!
„Erst dann wandte er sich den Bienenstöcken zu, und in diesem Moment bemerkte er eine Klangwelt um sich herum, als hätte jemand sein Gehör, das über Nacht ausgeschaltet gewesen war, wieder eingeschaltet. Die Welt um ihn herum summte zart und unaufdringlich. Dieses Summen fiel mit der Bewegung der Bienen zusammen, die leicht und fast gewichtslos aus den Fluglöchern losflogen.“ (S. 224)
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Stark berührt hat mich Kurkows " Graue Bienen",dessen Unwohlsein auslösender Titel bereits erahnen lässt, dass sich der Autor hier einem brisanten Thema widmet. Zwar mit gewohnt Kurkowscher melancholischer Ironie, dabei aber so anschaulich und empathisch geschildert, vermittelt der Roman ein authentisches Bild des Alltags der zivilen Bevölkerung in der Ostukraine inmitten des seit 2014 anhaltenden bewaffneten Konflikts.
Unbedingt lesen!
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Tiefer Einblick in ein vom Krieg bedrohtes Leben. Der Imker Sergej und sein "Kindheitsfeind" Paschka versuchen, in ihrem Dorf zwischen den Fronten in der Urkaine zu überleben. Ein literarischer Roman über die Schrecknisse des Krieges in der Ukraine, der hierzulande schon fast vergessen ist.
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