Von Anläufen und Enttäuschungen, vom Finden und Wegwerfen. Und vom Glück des Gelingens. Das neue Buch von Arno Geiger
Frühmorgens bricht ein junger Mann mit dem Fahrrad in die Straßen der Stadt auf. Was er dort tut, bleibt sein Geheimnis. Zerschunden und müde kehrt er zurück. Und oft ist er glücklich. Jahrzehntelang hat Arno Geiger ein Doppelleben geführt. Jetzt erzählt er davon, pointiert, auch voller Witz und mit großer Offenheit. Wie er Dinge tat, die andere unterlassen. Wie gewunden, schmerzhaft und überraschend Lebenswege sein können, auch der Weg zur großen Liebe. Wie er als Schriftsteller gegen eine Mauer rannte, bevor der Erfolg kam. Und von der wachsenden Sorge um die Eltern. Ein Buch voller Lebens- und Straßenerfahrung, voller Menschenkenntnis, Liebe und Trauer.
Cover:
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Das Titelbild mit den roten und gelben Farben wirkte auf mich anfangs sehr altmodisch und wenig anziehend. Wenn man es auf den Titel überträgt, dann passt es aber in gewissem Sinne. Es regt auf jeden Fall zum Nachdenken an.
Inhalt:
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Der Autor war Mitte zwanzig, als er mit seinem Geheimnis begann: Er fuhr regelmäßig morgens durch Wien und durchstöberte Altpapiertonnen. Das, was er fand, half ihm, einen andern Blick auf die Gesellschaft und das Menschsein zu werfen und dabei der Mensch und letztlich der Schriftsteller zu werden, der er heute ist.
Mein Eindruck:
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"Meine künstlerische Entwicklung wurde nicht nur von Weltliteratur vorangetrieben, sondern ganz wesentlich auch von Abfall, von Hingeschmiertem und Verworfenem. Es wäre ein Fehler, das eine gegen das andere auszuspielen, denn das eine ersetzt nicht das andere. Wichtig sind die vielen Wechselwirkungen zwischen Alltagsschreiben und Literatur. Festzuhalten ist aber auch: Ich habe ein besonderes Faible für das spontan Hingeschmierte, wohingegen das Konstruierte, das zu lange Überlegte mir oft unzureichend vorkommt." (S. 131f)
Ich kannte den Autor nur dem Namen nach, aber die Beschreibung machte mich neugierig. Sein Geheimnis ist bereits nach den ersten Zeilen keins mehr, aber das ist auch nicht das Wesentliche des Buches. Wesentlich ist die Entwicklung des Autors, die er aufgrund seiner Funde durchlaufen hat und die er offenherzig und durch philosophische Anmerkungen angereichert dem Leser beschreibt. Er ist dabei sehr ehrlich zu sich selbst, beschreibt dabei sowohl die schlechten als auch seine guten Phasen.
„Wegwerfen ist eine Kulturtechnik, die zum Führen eines Lebens dazugehört wie die Fähigkeit zu Ja und Nein. Es schafft Platz für Veränderung, für Verbesserung oder für nichts. Das Nichts ist erstrebenswerter als Berge von unnützem Kram. [...] Wenn ich mehr mit der Organisation als mit dem Gebrauch meines Besitzes zu tun habe, geht ein Zugewinn an Besitz mit einem Verlust an Lebensqualität einher. Ein bis zum Platzen angefülltes Leben kann niemals ein erfülltes Leben sein.“ (S. 143)
Er lässt den Leser teilhaben an seinen Funden, seinen literarischen Erfolgen und Misserfolgen, aber auch an seinen Beziehungsgeschichten eingeschlossen der Partnerschaft mit seiner jetzigen Frau (im Buch "K." genannt), die sein zweites glückliches Geheimnis darstellt.
Da ich selber im Sperrmüll oder im Altpapier schon einige glückliche Funde gemacht habe, konnte ich die Empfindungen des Autors gut nachvollziehen. Bei dem Thema Beziehung gelang mir dies nicht so ganz, aber letztendlich fand ich seine Gedanken hierzu inspirierend. Das gilt auch für das Thema Älterwerden und Demenz. Aufgrund der Krankheiten seiner Eltern und der seiner Partnerin nimmt dieses Thema ebenfalls Raum ein und der Umgang des Autors mit der Situation hat mich sehr beeindruckt.
Ich habe dieses Buch sehr genossen, schon aufgrund seines Schreibstils und mir unzählige Stellen herausgeschrieben, weil Herr Geiger es schafft, die Sachen treffend in Bildern zu beschreiben und damit auf den Punkt zu bringen.
Fazit:
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Über das Leben, Schriftstellerei und wie aus Verlusten/ Weggeworfenem Neues entstehen kann - ehrlich, philosophisch, regt zum Nachdenken an
Skurril, originell, authentisch
Webervogel am 12.03.2023
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Manche Rezensent*innen erwähnen zuerst die Sprache, wenn sie über ihre Lektüren reden. Ich bin dagegen „Team Inhalt“ – wenn mich die Geschichte nicht packt, können Stil und Sprache für mich auch nichts mehr retten. Dachte ich bisher, aber was Arno Geiger angeht, würde ich wohl eine Ausnahme machen. Seine Sätze sind so elegant, klar und prägnant, dass ich immer wieder das Bedürfnis hatte, sie zu markieren (was ich mir allerdings verkniffen habe und was bei der Fülle von schönen Sätzen auch wenig Sinn machen würde).
Und der Inhalt? „Das glückliche Geheimnis“ handelt vom Doppelleben von Arno Geiger, der 2005 den ersten Deutschen Buchpreis gewonnen hat. Schriftstellerisch tätig war er zu diesem Zeitpunkt schon seit vielen Jahren. Dass er außerdem noch einer anderen Tätigkeit regelmäßig nachging, verheimlichte er jedoch bis jetzt erfolgreich: Arno Geiger hat jahrzehntelang containert. Und zwar speziell in Wiener Papiercontainern. Seine Runden hat er systematisch bei Wind und Wetter am frühen Morgen gedreht und dabei Bücher, Briefe, Fotos gefunden – und vieles mehr, oftmals nichts davon von Wert oder Bedeutung. Es waren aber auch immer wieder alte oder seltene Ausgaben dabei, die er zu Geld machen konnte und die an der Finanzierung seines Schriftstellerlebens grundlegenden Anteil hatten. Und Briefsammlungen, die Einblicke in Seelenleben gaben, die ihm sonst verwehrt geblieben wären. Eindrucksvoll beschreibt Geiger, wie er Briefwechsel so lange seziert hat, bis quasi nichts mehr vom Original übrig war – und wie er die so herausgearbeitete Essenz dann wieder in seine Bücher einfließen lassen konnte. Generell fand ich diese Passagen am stärksten, in denen der Autor über den Schreibprozess oder auch den Literaturbetrieb an sich berichtet. Die Beziehung zu seinen Eltern nimmt keinen größeren Raum an, liest sich aber anrührend, zumal einem Geigers Vater aus seinem Buch „Der alte König in seinem Exil“ bereits bekannt ist. Weniger interessiert haben mich Geigers Liebesbeziehungen und die für meinen Geschmack etwas zu ausführlich beschriebenen, mit ihnen verbundenen Irrungen und Wirrungen, aber vermutlich waren sie in den jeweiligen Phasen seines Lebens so wichtig und prägend, dass er sie auch nicht weglassen konnte.
„Das glückliche Geheimnis“ ist ein besonderes Buch; mir fällt nichts Vergleichbares ein. Dass der Autor sein lange gehütetes Doppelleben hier enthüllt, hat auch mich tatsächlich ein bisschen glücklich gemacht – er verdeutlicht originell und authentisch, wie Schein und Sein auseinanderklaffen können. Und dass das nicht das Schlechteste ist, wenn man etwas hat, was einen erdet – selbst wenn es ein skurriles, geheimes Hobby ist. Sein glückliches Geheimnis hat Arno Geigers Leben bereichert; wie schön, dass er es jetzt teilt.
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Welches Geheimnis der Preisträger des Deutschen Bücherpreises 2005 mit uns teilen möchte und warum es kein dunkles sondern ein glückliches ist, erfährt man ziemlich schnell. Es hat mit Altpapiertonnen, frühmorgendlichen Ausflügen, der Liebe zu Wörtern und der Empathie für andere Menschen zu tun, dieses Doppelleben, das Arno Geiger geführt hat und dass er nun preisgibt. Damit lädt er uns ein, gemeinsam mit ihm durch sein Leben zu streifen und ihn als Autor, aber auch als Mensch kennenzulernen.
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Ein sehr persönliches Buch über sein Leben und wie er Schriftsteller geworden ist. Ganz besonders gefallen hat mir die Art wie er seine Leidenschaft zu Papier bringt und mit welcher Hingabe er seinen Weg gegangen ist. Sehr berührend, komisch und ehrlich!
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