Es ist Sommer in Norwegen. Eigentlich eine beschauliche, sonnengetränkte Zeit. Doch nun scheint etwas aus den Fugen geraten zu sein. Krabben spazieren an Land, Ratten tauchen an überraschenden Stellen auf, eine Katze kommt unter seltsamen Umständen ums Leben. Kurzum: Die Tiere verhalten sich wider ihre Natur. In seinem neuen Roman schildert Karl Ove Knausgård eine Welt, in der die Natur und die Menschen aus dem Gleichgewicht sind, obwohl das Buch eigentlich ganz realistisch vom Leben einiger Menschen, neun an der Zahl, während mehrerer Hochsommertage erzählt, und zwar in deren eigenen Worten. Da ist der Literaturprofessor Arne, der mit seiner Familie die Tage im Sommerhaus verbringt, an sich selbst zweifelt und mit seinem Nachbarn Egil über den Glauben an Gott diskutiert. Da ist die Pastorin Kathrine, die plötzlich merkt, dass sie ihre Ehe als Gefängnis empfindet. Da ist der Journalist Jostein, der auf einer exzessiven Trinktour von den mysteriösen Morden an Mitgliedern einer Death Metal Band hört, während seine Frau Turid in einer psychiatrischen Anstalt als Nachtwache arbeitet. Ihnen allen unerklärlich ist das Auftauchen eines neuen Sterns am Himmel, den auch die Wissenschaft nicht wirklich erklären kann. Ist er der Vorbote von etwas Bösen oder im Gegenteil die Verheißung von etwas Gutem?
Zuvor hatte ich nie etwas über den Autor oder seine Werke gehört, aber eine Freundin hat mir dieses Buch geschenkt, weshalb ich direkt anfing, es zu lesen.
Normalerweise bin ich kein Fan von Büchern mit knapp 900 Seiten, da die Handlung ot schleppend voranschreitet. Leider war das auch hier der Fall.
Erstmal fand ich die Wahl der 9 Perspektiven gut, da sich jeder Charakter entfalten konnt (außer Emil; den Sinn des Kapitels habe ich leider nicht verstehen können). Vor allem mochte ich Egils und Arnes Perspektive und vor allem, dass so viel philosophisches Wissen einbezogen wurde, denn gerade Nietzsche und Kierkegaard finde ich sehr interessant. Außerdem wurde Heidegger kritisch betrachtet, was ich sehr wichtig finde.
Dennoch hatte ich manchmal das Gefühl, an der Nase herumgeführt zu werden. Alle verbindet das Auftauchen des neuen Sterns, aber was noch? Manchmal wirkte es etwas chaotisch, auch wenn man mit der Zeit erfahren hat, wer wen kennt und wie sie miteinader verbunden sind. Aber für 900 Seiten finde ich, dass einfach viel zu wenig Aufschluss über die Beziehungen zueinander gegeben wurde. Vermutlich ist es auch einfach eine persönliche Präferenz von mir, Bücher zu lesen, die auf den Punkt kommen, aber als ich erfahren habe, dass dies der erste Band von fünf ist, war ich schon sehr überrascht, denn wenn die Geschichte weiterhin so langsam erzählt wird, würde ich die Begeisterung vermutlich schnell verlieren. Wie gesagt, die Charaktere konnten sich zwar entfalten, aber an sich war es dann doch etwas zu langsam erzählt. Deshalb werde ich wahrscheinlich kein weiteres Buch der Reihe lesen, sobald es auf deutsch erscheint, aber hoffentlich hatten andere etwas mehr Freude daran als ich.
Alle müssen alles aushalten
Ruthild Maria Görschen aus Potsdam am 13.06.2022
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Zu Beginn gleich ein Zitat von relativ weit hinten, auf Seite 821: „Was jenseits der Reichweite ihrer Sinne liegt [gemeint sind hier die Tiere], gibt es für sie nicht, es existiert schlichtweg nicht in der Welt.“
Wenn ich mir jetzt die Fische und andere Wasserlebewesen vorstelle, die natürlich die ganze Welt jenseits des Wassers nicht – oder kaum – wahrnehmen können, so wie die meisten von uns die wirkliche Wasserwelt nicht wahrnehmen können …. Ja, dann bleibt so viel Unerkanntes übrig, wie die ganze Luftwelt für die Fische. Was mag es noch jenseits unserer Wahrnehmungswelt alles geben? Wir wissen ja nicht mal, wer wir wirklich sind und wo wir herkommen. Damit meine ich jetzt nicht die Bäuche unserer Mütter, sondern wo der Mensch an sich herkommt. War er schon immer auf diesem Planeten?
Also zäume ich hier das Pferd vom Schwanz auf und beginne mit dem Ende, bzw. mit dem Anfang vom Essay am Ende.
Knausgård macht es uns hier nicht leicht mit diesem dicken Buch mit seinen 891 Seiten. Es liest sich schön und schrecklich zugleich, aber man bleibt dran, kann es nicht weglegen, obwohl nicht alles gefällt. Bei Weitem nicht alles.
Zunächst fand ich die Anzahl der Protagonisten zu unüberschaubar, fing doch jedes Kapitel mit einem neuen Erzähler an – neun sind es insgesamt – und alle sprachen in der Ich-Form. Wer davon ist so richtig hängen geblieben? Natürlich Arne, das ist der vom Anfang, mit der verrückten Frau, drei Kindern und zwei toten Katzen. Gruselig schon zu Beginn. Er begräbt eine Katze, die noch nicht richtig tot ist und die Katzenmutter dieses armen Tieres stirbt auch keines natürlichen Todes. Hier beginnt schon die Schrägheit der gesamten Atmosphäre im Roman. Arne fährt betrunken Auto und überall auf der Straße laufen Krebse herum. Massenhaft geangelte Fische stinken in Arnes Keller vor sich hin. Auch nach der Abreise aus dem Sommerhaus noch. Die verrückte Ehefrau wird vorher noch schnell ins nächstgelegene Krankenhaus abgeschoben.
Hat der Morgenstern, der neue, das alles ausgelöst und zu verantworten? Die ganze Welt ist aus den Fugen geraten, so wie unsere gerade auch. Da wird alles geleugnet, was nicht ins System passt, und: „Keiner hat jemals ein vernünftiges Gespräch mit einem Leugner geführt. Das geht einfach nicht.“ (Seite 790)
Arne hat einen Nachbarn in diesen Norweger-Sommerhäusern in Bergen am Meer: Egil. Auch Egils Welt ist aus den Fugen geraten, deshalb schrieb er den Essay am Ende: „Über den Tod und die Toten“, ab Seite 817. Hier wird nach viel Philosophie eine Zugbekanntschaft von Egil thematisiert und eine Beerdigung, derlei Merkwürdigkeiten kann man sich kaum ausdenken, die müssen schon so passiert sein.
Der Journalist Jostein ist noch so ein Protagonist, der hängen bleibt im Gedächtnis, einfach weil er solche Unmengen an Alkohol trinken kann, dass man es kaum zu glauben vermag. Er betrügt seine Frau, fällt öfter mal in Ohnmacht, einmal auch ins Koma und irrt seitenlang in der Anderswelt herum.
Die Frauen sind nicht so markant und gerieten ob der Textfülle bei mir mehr oder weniger schon in Vergessenheit: Turid, Josteins Frau, arbeitet in der Psychiatrie. Sie muss mit einem harten Schicksalsschlag fertig werden und Monster im Wald verkraften.
Dann ist da noch Kathrine, die Pfarrerin, mit den Wahnvorstellungen (oder sind es keine?), Vibeke, Solveig und andere.
Manche der Protagonisten kennen sich und begegnen sich, andere wirken wie zufällig ins Buch geraten. Allen gemeinsam ist das Staunen über oder die Angst vor diesem Morgenstern.
Ich weiß nicht, ob das Buch empfehlenswert ist oder nicht. Ich habe es gar nicht gern gelesen und konnte es trotzdem nicht aus der Hand legen. Warum liest man so ein dickes Buch?
Und es werden noch mehr, so die „Androhung“, siehe hier aus dem Interview mit dem Autor: Früher hätte er, deutet er an, wohl zuerst an sein Werk gedacht. Aber das sei nun im Vergleich mit seiner Familie unbedeutend. Trotzdem hat er weiter große Pläne als Autor. „Der Morgenstern“ ist nämlich nur der Auftaktband zu einer Romanreihe. „Schwer zu sagen, wie viele Romane es werden. Mindestens fünf. Es werden wohl fünf“, sagt Knausgård und lacht.
Fazit: Ein seltsames Buch, es ist schön und schrecklich zugleich. Die Erlebnisse von neun Protagonisten - jeweils Ich-Erzähler - überfordern etwas. Trotzdem will man wissen, wie es weitergeht ...
Unsere Buchhändler*innen meinen
Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.
Eines Nachts wird es unerwartet hell. Ein riesiges Licht erscheint am Himmel. Ist es eine Supernova? Handelt es sich um einen neuen Planeten? Niemand weiß Genaueres. Auch am nächsten Tag befindet sich der Morgenstern immer noch am Himmel.
Gleichzeitig verhalten sich die Tiere seltsam. Die Krebse krabbeln aus dem Meer hinauf in den Wald und verschrecken auf der Straße die Autofahrer. Hirsche und Füchse werden zutraulich, während Maikäfer zu tausenden ausschwärmen. Was hat das zu bedeuten?
Geschildert wird dieses auf nur wenige heiße Sommertage komprimierte Geschehen aus der Perspektive von neun verschiedenen Protagonisten, die sich allesamt in einer schwierigen persönlichen Lage befinden. Es sind das Zwischenmenschliche, die Ehe oder die bereits vergangenen Beziehungen, worunter die Charaktere leiden. Das himmlische Geschehen und die flirrende Sommerhitze spiegeln sich in den fiebrigen Gefühlswelten der beteiligten Personen.
Hieraus ergibt sich eine großartige, schlüssige und einen starken Sog evozierende Gesamtkomposition, wie man sie von Knausgård so noch nicht gelesen hat, machte er sich in den vergangenen Jahren doch hauptsächlich einen Namen durch sein autobiographisches Werk, das mitunter in diesem Roman gerade bei der Schilderung familiärer Situationen durchschimmert.
Was es mit dem dem neuen Stern am Himmel auf sich hat, könnte vielleicht im Februar 2023 verraten werden. Dann wird mit „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ die Vorgeschichte zu „Der Morgenstern“ erzählt. Das sollte spannend werden, denn „Der Morgenstern“ ist der bisher beste Roman des Jahres 2022.
Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.
Es ist unerträglich heiß. Alle handelnden Personen versuchen der Hitze und persönlichen Unwägbarkeiten zu entkommen. Und dann gibt es da noch so eigenartige Phänomene. Plötzlich tuen Tiere Dinge, die sie normalerweise nicht machen und fast wie ein Heilsbringer erscheint ein neuer Stern am Himmel.
Morgenstern versammelt viele verschiedene Charaktere. Manches wirkt beim Lesen schier unerträglich und mit dem Leben oder ihrem Schicksal hadern irgendwie Alle. Dieses Buch hat Tempo und jede Menge Betrachtungen über Leben, Tod und Gott. Ich habe dieses Buch verschlungen und doch hat mich dieser Roman ein wenig ratlos zurückgelassen. Ich hoffe es gibt noch ein Buch.
Kurze Frage zu unserer Seite
Vielen Dank für Ihr Feedback
Wir nutzen Ihr Feedback, um unsere Produktseiten zu
verbessern. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihnen keine Rückmeldung geben können. Falls Sie
Kontakt mit uns aufnehmen möchten, können Sie sich aber gerne an unseren Kundenservice wenden.