Wohl nie waren so viele berühmte Schriftsteller und Reporterinnen aus aller Welt unter einem Dach versammelt wie in Nürnberg 1946. John Dos Passos und Erika Mann, Erich Kästner und Martha Gellhorn, Willy Brandt und Markus Wolf: Sie kamen, um zu berichten - von den Gräueln des Krieges und des Holocaust, die dort vor Gericht verhandelt wurden. Sie wohnten und schrieben auf Schloss Faber-Castell, diskutierten, tanzten, verzweifelten, tranken. Uwe Neumahr erzählt ihre Geschichte in seinem aufregenden und bewegenden Buch.
Nürnberg 1946: Es war eine einzigartige Versammlung von weltberühmten Schriftstellern, Journalistinnen, Reportern und solchen, die später einmal die Berühmtheit erlangten. Erich Kästner war dort und Erika Mann, John Dos Passos und Martha Gellhorn. Augusto Roa Bastos kam aus Paraguay, Xiao Qian aus China. Im Gerichtssaal blickten sie den Verbrechern ins Angesicht, die sich für den Krieg und den Holocaust verantworten mussten. Im Press Camp auf dem Schloss Faber-Castell versuchten sie, das Unfassbare in Worte zu fassen, damit die Welt davon erfahren konnte. Dabei trafen im Mikrokosmos des Faber-Schlosses Exil-Rückkehrer auf Überlebende des Holocaust, Kommunisten auf Vertreter westlicher Medienkonzerne, Frontberichterstatter auf extravagante Starreporter. Man schlief auf Feldbetten und begegnete sich in der Bar, im Salon, im Spielzimmer und im Kino, die die Alliierten in der globalen Herberge eingerichtet hatten. Und während die Schlossbewohner in den Abgrund der Geschichte sahen, während sie über Schuld, Sühne und Gerechtigkeit nachdachten, veränderten sich nicht nur sie, sondern auch die Art, wie sie schrieben.
GELESEN: Uwe Neumahr „Das Schloss der Schriftsteller“, Nürnberg 1946, Treffen am Abgrund
Erschienen bei H.C. Beck, München 2023
267 Seiten mit 31 Abbildungen
Auf den Seiten 255 bis 267 findet man das hochinteressante NACHWORT, mit dem ich dieses Buch begonnen habe. Hier werden die Sichtweisen der Familie Thomas Mann auf den zu lebenslanger Haft verurteilten Kriegsverbrecher Rudolf Hess dargelegt. Erika Mann, die ewige verbitterte und unerbittliche Tochter, Golo Mann, der milde Sohn und schließlich Thomas Mann selbst, hatten hier unterschiedliche Meinungen mit teilweise verständlichen Begründungen.
Im VORWORT erfahren wir, aus welchen Ländern die schreibende Zunft stammte und natürlich, warum die Herren auf Schloss Faber-Castell und die Damen, deren Anzahl beträchtlich war, in der Villa am Schlosspark untergebracht waren.
Hochrangige Journalisten aus aller Welt gaben sich ein Stelldichein und verfolgten vom 20.11.1945 bis 01. Oktober 1946 was sich im Nürnberger Justizpalast tat, als die vier Siegermächte zu Gericht saßen. Die Crème de la Crème der damaligen Presse und Literaturszene verfolgte den Hauptkriegsverbrecher-Prozess. Auch wenn Xiao Qian, Erika Mann, Erich Kästner, John Dos Passos, Ilja Ehrenburg, Elsa Triolet, Rebecca West, William Shirer, Janet Flanner, Willy Brandt, Alfred Döblin, Markus Wolf bis Martha Gellhorn nicht über die ganze Zeit anwesend waren, so erlebten sie gerade während der Filmvorführungen Unglaubliches, was oftmals nur mit genügend Alkohol am Abend verdrängt werden konnte. Das Zusammenleben auf engstem Raum war kein Kinderspiel, und die Menschen veränderten sich ob der täglichen Gräuel. Einige änderten hernach ihren Schreibstil.
Es herrschte teilweise ein erbitterter Machtkampf, denn jeder wollte als Erster die beste Story abliefern, die manchmal nicht ganz bei der Wahrheit blieb. Ein „Reißer“ verkaufte sich freilich besser, denn es gab auch langatmige und überaus langweilige Prozesstage.
Uwe Neumahr hat hier ein packendes Sachbuch flott, verständlich und anschaulich geschrieben. Trotz unzähliger Berichte, Dokumentationen, Erzählungen und Romane, die man seit jenen Tagen sah oder las, konnte man hier eine ganz neue Sichtweise kennenlernen.
Wer sich für diesen Teil der Geschichte interessiert, sollte dieses Buch lesen.
Vielschichtiges Portrait über die Nürnberger Prozesse
Lesendes Federvieh aus München am 23.09.2023
Bewertungsnummer: 2028492
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Wie der Titel „Das Schloss der Schriftsteller“ schon andeutet, findet in diesem absolut lesenswerten Sachbuch die Betrachtung der Nürnberger Prozesse aus einer völlig anderen Perspektive statt. Denn nicht nur der Prozessablauf selbst wird detailliert und eindrücklich geschildert, es wird ein ebenso großes Augenmerk auf die Journalisten und Schriftsteller gelegt, die über das Prozessgeschehen berichten, einordnen, kommentieren und beurteilen.
Brillant und hervorragend recherchiert liefert Uwe Neumahr nicht nur ein spannendes Stück Zeitgeschichte, sondern gewährt obendrein einen ebenso interessanten, informativen Einblick in den Alltag im Pressecamp sowie die unterschiedliche Art und Weise der Berichterstattung. Diese ist geprägt von politischer Einstellung, Nationalität aber auch von Einzelschicksalen in Deutschland selbst bzw. im Exil.
In den einzelnen Kapiteln werden die Prozesseindrücke dieser hochkarätigen Journalisten und Schriftsteller ausführlich dargestellt und mit interessanten Details aus deren Biografien angereichert.
Gerade durch diese so unterschiedlichen Persönlichkeiten ist ein vielschichtiges, ungemein spannendes Gesamtbild dieses Prozesses, den politischen Bestrebungen der Besatzungsmächte sowie über die Deutschen und Deutschland vor und nach dem Krieg entstanden.
„Das Schloss der Schriftsteller“ bietet viel Stoff zum Nachdenken über die unmenschlichen Gräueltaten des Regimes, vor allem aber über das unbegreifliche Schweigen der Deutschen.
Der zweite Weltkrieg ist gerade vorbei, Deutschland liegt noch mehr oder weniger in Schutt und Asche und den Hauptverantwortlichen des Krieges wird in Nürnberg 1946 der Prozess gemacht. Der erste seiner Art, in dem auf demokratische Weise die Siegermächte über die Verantwortlichen urteilen wollen.
Bei den Prozessen sind Schriftsteller und Korrespondenten aus aller Welt anwesend, um darüber zu berichten. Wer nicht eine deutsche Nationalität hat, kann oder darf im Schloss Faber-Castell (Press Camp) übernachten. Dieses hat ohne größere Blessuren den Krieg überstanden und ist auch Ort mach feuchtfröhlicher Nacht. Es tauchen Namen auf, die damals schon berühmt waren, aber auch etliche noch unbekannte Gesichter.
Interessant fand ich die Sichtweise der verschiedenen Schriftsteller auf Deutschland und die vergangene Geschichte. Eine gut gelungene Abwechselung zwischen anekdotischem, informativem und bewegendem Teilen.
Viele bekannte Gesichter begegnen den Lesenden in diesem besonderen Buch. Uwe Neumahr beschreibt in sehr interessanter Weise die Hintergründe der Berichterstattung der Nürnberger Prozesse. Hier findet man eine vielseitige Mischung aus nüchterner Erzählweise und Geschichten, die Geschichte schrieben.
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