Inmitten des Schweigens ihrer Familie hat Franka sich schon immer verloren gefühlt. Bereits ihre Großmutter, genannt die Fuchsin, hortete Geheimnisse wie die schwarzen Steine in ihrer Schürze. Als Franka mit Ende Zwanzig in die fränkische Provinz mit den Himmelweihern und Spiegelkarpfen zurückfährt, sieht sie endlich hin: Wie das war in den Nullerjahren, als Deutschland Weltmeister im eigenen Land werden wollte. Als ihr Vater starb und sie in Patrick und Janna Gleichgesinnte fand, die Unsicherheit mit Krawall, Frustration mit Faustschlägen übertünchten. Als sie immer tiefer in die rechte Szene einstieg. Sie beginnt Fragen zu stellen und sucht nach einer Haltung zur Vergangenheit.
Ein hochaktuelles Debüt über eine Jugend auf dem Land zwischen der Sehnsucht nach Zugehörigkeit, radikaler Wut und den blinden Flecken der eigenen Familie.
Hochaktuelles, wichtiges Thema - Umsetzung mit einigen Schwächen
Bewertung aus Freiberg am 14.05.2025
Bewertungsnummer: 2490140
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
"Durch die Scheiben des Busses blickt Franka auf das immer vertrauter werdende Idyll und empfindet keine Wehmut, nur Erleichterung, dass sich ihr Leben mittlerweile so weit davon entfernt abspielt.“
Im Roman „Unter Grund“ von Annegret Liepold muss die junge Franka sich ihrer dunklen Vergangenheit stellen. Als sie als Referendarin gemeinsam mit ihren Schülern sowie ihrer WG-Mitbewohnerin und Freundin Hannah, die als Journalistin über den NSU-Prozess in München berichtet, einen Gerichtsprozess besucht, bricht das alte Wunden auf. Anstatt ihrer Freundin endlich von damals zu erzählen, flüchtet sie lieber ins heimatliche Dorf in der Nähe von Erlangen.
"Aber Schweigen hat ein Verfallsdatum. Als Franka im fensterlosen Gerichtssaal saß und auf Zschäpe hinunter blickte, war ihr das mit einem Schlag klar geworden. Kaum ist das Datum überschritten, beginnen die Worte in einem zu gären, wandeln sich nach und nach zu etwas unberechenbaren. Hätte Sie Hannah vor fünf Jahren von Janna und Patrick erzählt, gleich nachdem sie zu ihr in die WG gezogen war, hätte Hannah sie vielleicht einfach in den Arm genommen und gesagt: 'Aber heute bist du eine andere.'
Doch sie hat das Verfallsdatum zu lange ignoriert, die Worte sind giftig geworden. Wenn sie jetzt den Mund öffnet, wird Hannah ihr vorwerfen, dass sie so lange geschwiegen hat, und ihre Freundschaft ist womöglich vorbei. Wenn sie weiterhin nicht sagt, auch."
"Sie muss verstehen, was damals passiert ist, und zurückfahren, an den Ort, der sie ausgespuckt hat wie einen lästigen Kaugummi. Sie weiß nicht, was schlimmer ist: Dass nichts mehr so sein könnte, wie sie es in Erinnerung hat, oder dass alles noch genauso bedrückend ist wie damals."
"Franka weiß, sobald sie aussteigt, will sie sofort wieder weg, schon jetzt hat sie das Gefühl, nur ein paar Minuten und nicht fünf Jahre weg gewesen zu sein."
Frankas Großmutter ist längst gestorben, doch ihre Mutter lebt noch immer im Dorf; ebenso ihre Tante June, aber ihr geht sie lange aus dem Weg. Stattdessen versucht sie endlich zu verstehen, was damals passiert war.
In ihrer Familie herrschte schon immer Schweigen. Besonders ihre Großmutter, die „Fuchsin“ genannt wurde, hatte viele Geheimnisse - und strikte Regeln. Als Franka elf Jahre alt war, starb ihr Vater, mit dem sie viel verband und gemeinsam in der Natur der Umgebung unterwegs war. Mit ihm teilte sie die Heimatverbundenheit. Nach seinem Tod fühlte sie sich immer verlorener und ihre schulischen Leistungen wurden schlechter.
"Sie rückte vor, Jahr um Jahr, immer knapp, aber es ging weiter, und mit jedem Jahr wurde sie entschlossener, sich nicht anmerken zu lassen, wie wir es tat, der Vorzeigefehler zu sein."
"'Wenn es keine Rolle mehr spielt, welche Wurzeln wir haben und welche Traditionen wir pflegen, dann ...' Die Worte stolperten aus ihr heraus, Tränen stiegen ihr in die Augen. Wenn sie noch mehr preisgab, würde Leon merken, wie verletzlich sie war.
'Dann was? Tradition heißt doch nur, dass man vergessen hat, wo der Anfang ist. Nur weil man was schon immer so gemacht hat, hat es doch keinen Wert an sich!'"
Sie entscheidet sich gegen eine Beziehung mit Leon, vor allem aus Unsicherheit, und findet stattdessen in Patrick und Janna Gleichgesinnte. Zum ersten Mal lernt sie Zugehörigkeit zu einer Gruppe kennen, und sie steigt, ohne sich wirklich bewusst dafür zu entscheiden, in die rechte Szene ein.
Hier ließ meine Begeisterung für das Buch dann (trotz des an sich sehr guten Schreibstils!) leider etwas nach. Franka als Person und vor allem ihre Enscheidungen bleiben für mich zu wenig klar und nachvollziehbar; sie kommt sehr rückgratlos und nicht greifbar bei mir an. Sie wird imner als Mitläuferin dargestellt, aber mir fehlte hier etwas.
Was möchte die Autorin damit aussagen, soll es eine Warnung sein? Ich hätte mir hier etwas mehr Deutlichkeit gewünscht, was Frankas Radikalisierung angeht; auch die rechte Szene des Dorfes hätte man eventuell klarer darstellen können.
Als Franka sich endlich mit ihrer Tante June ausspricht und es auch um die Vergangenheit ihrer Großmutter und den „Fuchsbau“ geht, war das etwas intensiver. Jedoch fand ich das Ende nicht wirklich gelungen, das Hin- und Herspringen zwischen NSU-Prozess im Heute und Frankas Vergangenheit mit dem Jugendprozess ist nicht immer leicht nachvollziehbar, ebenso wie die zeitlichen Sprünge in den Abschnitten im gesamten Buch. Das hätte man sicher besser lösen.
Hilfreich ist der Anhang mit Glossar und Verweisen zu den im Text verwendeten Begrifflichkeiten des rechten Gedankenguts.
Insgesamt ein Buch mit einem sehr wichtigen und (leider) hochaktuellen Thema, dessen Umsetzung leider nicht komplett überzeugen konnte.
Das Buch hat mich zum Nachdenken angeregt und zeigt mir die Seiten einer Frau auf, die eigentlich nur dazu gehören wollte. Um nicht alleine zu sein, ist sie in die rechtsextreme Richtung abgedriftet.
In dem Buch begleiten wir Franka, die ihre rechtsextreme Vergangenheit in ihrem Heimatdorf verarbeitet und dadurch auch das Schweigen innerhalb der Familie auflöst.
Es ist gut zu sehen, dass Franka aus dieser Szene wieder raus gekommen ist. Es zeigt allerdings auch auf, wie schnell man in solche extremen Gefilde abdriften kann und wie auch die Familie dazu nichts positives oder negatives bei steuert.
Eine Äußerung beim Besuch des NSU-Prozess mit ihrer Schulklasse in München konfrontiert die Referendarin Franka mit ihrer eigenen Vergangenheit. Hals über Kopf fährt sie in ihr Heimatdorf, es sind keine guten Erinnerungen, die sie erwarten. Damals zerbrach ihre Freundschaft mit Leo und ihr Vater erlag einem Krebsleiden. Haltlos geworden befreundete sich Franka mit den falschen Leuten und glitt in die rechte Szene ab, stellt jetzt erschrocken fest wie weit sie schon gegangen ist und von der Ideologie vereinnahmt wurde. Gekonnt wechselt das Erzählen zwischen der Realität und Frankas Erinnerungen. Ein besonders authentisches Bild vermittelt die Autorin, indem sie die Angst der Menschen vor Überfremdung zeigt, oder die Leugnung des Holocaust im gymnasialen Geschichtsunterricht. Ein aktuelles und wichtiges Buch, eingängig verfasst, empfohlen auch als Schullektüre.
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Franka kehrt zurück in ihr altes Dorf und muss sich ihrer Vergangenheit stellen. Als Schülerin hat sie in der Nazi-Szene mitgewirkt, wo sie sich erstmalig in der Gesellschaft zugehörig fühlte. Heute ist sie Lehrerin und verfolgt mit ihrer Klasse den NSU Prozess gegen Zschäpe. Eine aufrüttelnde und recht düstere Geschichte, auf die man sich einlassen muss.
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