"Unmöglicher Abschied" erzählt die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Frauen und beleuchtet zugleich ein jahrzehntelang verschwiegenes Kapitel koreanischer Geschichte
Eines Morgens ruft Inseon ihre Freundin Gyeongha zu sich ins Krankenhaus von Seoul. Sie hatte einen Unfall und bittet Gyeongha, ihr Zuhause auf der Insel Jeju aufzusuchen, weil ihr kleiner weißer Vogel sterben wird, wenn ihn niemand füttert. Als Gyeongha auf der Insel ankommt, bricht ein Schneesturm herein. Der Weg zu Inseons Haus wird zu einem Überlebenskampf gegen die Kälte, die mit jedem Schritt mehr in sie eindringt. Noch ahnt sie nicht, was sie dort erwartet: die verschüttete Geschichte von Inseons Familie, die eng verbunden ist mit einem lang verdrängten Kapitel koreanischer Geschichte. Han Kangs neuer Roman ist eine Hymne an die Freundschaft und das Erinnern, die Geschichte einer tiefen Liebe im Angesicht unsäglicher Gewalt - und eine Feier des Lebens, wie zerbrechlich es auch sein mag.
Obwohl „Unmöglicher Abschied“ von einem dunklen und brutalen Kapitel der koreanischen Geschichte handelt, obwohl unsagbarer Schmerz, Kummer, Wut, Furcht und Verlust das Erzählte prägen und obwohl man tief in die Psyche und Verlorenheit der Erzählerin eintaucht, hält dieser Roman den Leser auf Distanz. Trotz aller Versuche und der Tatsache, dass mich der Text zumindest zeitweise gefesselt hat, hat er mich emotional nie wirklich berühren können.
Das mag daran liegen, dass die Handlung sich zu einem großen Teil in surrealen Traumsequenzen verliert, die sich nur allmählich und sehr schwierig erschließen lassen. Träume in der Literatur stoßen bei mir grundsätzlich auf wenig Gegenliebe, da ich es häufig als Ausweg empfinde, um weitere Bedeutungsebenen in einen Text zu integrieren, die man auch auf andere Weise hätte einfügen können – der Roman hatte es von daher schon etwas schwer bei mir.
Neben diesen Sequenzen, quasi als Gegengewicht, bringt der Text einige Passagen mit Fakten ein: Ausschnitte aus Berichten und Dokumenten. Dies dient sicherlich der emotionalen Distanzierung, da diese aber insgesamt schon durch die Erzählweise gegeben ist, wird der Abstand zum Geschehen noch vergrößert. So fand ich die Abschnitte, die sich mit historisch verbrieften Ereignissen befassten, zwar höchst informativ und bereichernd, das literarische Erlebnis hingegen wurde für mich dadurch deutlich geschmälert.
Dabei hätte der Roman mit seinen gut gewählten, fein platzierten Metaphern so viel Potenzial für einen Nachhall und ein Weiterdenken mit Aha-Effekt gehabt. Leider führte die verwirrende Handlung, die dazu noch recht langatmig und mit einigen Wiederholungen aufwartet, dazu, dass ich mich mit Han Kangs Roman doch sehr schwergetan habe. Es handelt sich sicherlich um einen Text, der eine eingehende Betrachtung verdient, er ist aber so spröde und wenig einladend, dass man doch einige Überwindung braucht, um ihn überhaupt zu Ende zu lesen, geschweige denn sich mit Begeisterung auf ihn einzulassen.
Das ist das vierte Buch von Han Kang, das ich gelesen habe. Und ich stelle fest, dass ich bislang nur zu einem von drei bislang eine Rezension verfasst habe. Dann jedes Mal, wenn ich die Bücher zuklappte, fehlte mir die Worte, um zu beschreiben, was die Bücher mit mir machen. Nun versuche ich ein zweites Mal Worte zu finden.
Was mich jedes Mal wieder komplett einnimmt, ja bezaubert, trotz der heftigen Themen, die immer mitschwingen, ist die wundervolle Sprache Kangs. Nun kann ich leider kein Koreanisch, aber Übersetzerin Ki-Hyang Lee malt mit Worten Bilder und Emotionen, Klänge und Gerüche, Schmerzen und Linderung. Diese Sprache gefällt mir so gut, dass ich mir bei jedem von Kangs Büchern dachte, dass es schön wäre Koreanisch zu können.
„Sie absorbieren auch den Schall aus der Umgebung, wodurch Geräusche gedämpft werden. Eigentlich sind die Kristalle durchsichtig, weil aber ihre Arme das Licht in alle Himmelsrichtungen reflektieren, erscheinen sie weiß.“
Ich-Erzählerin Gyeongha macht eine Krise durch, sie isst kaum mehr etwas, erträgt die Hitze in ihrem Appartement mit der kaputten Klimaanlage nicht. Der Winter bringt wenigstens Abkühlung. Da erreicht sie ein Anruf von ihrer alten Freundin Inseon sie im Krankenhaus zu besuchen. Dort bittet Inseon sie, auf die Insel Jeju zu fliegen, um ihren Vogel zu füttern, der sonst sterben wird.
Von Beginn an flechten sich Traumata in die Geschichte. Wir wissen, dass etwas passiert ist oder mehreres, aber sind immer nur feine Fäden, die ausgelegt werden, gleichwohl ein intensives, ja schon fast … Gefühl erzeugen. Ich will immer wieder Wörter hinschreiben, die das sehr treffend beschreiben, ja, eigentlich genau auf den Punkt, wie ein Adjektiv für dieses Gefühl, oder auch für narrative Elemente oder Entwicklungen in der Geschichte, aber dann will ich sie nicht schreiben, weil ich das Gefühl habe, dass genau diese Worte zu viel verraten. Denn das Vergnügen beim Lesen– so düster vieles wird – lag auch darin, dass ich mich mit Gyeongha auf die Suche mache nach dem, was verborgen ist. Verborgen im Schnee, verborgen in der Vergangenheit, verborgen im Selbst.
Die Lektüre ist wunderschön und doch nicht immer angenehm. Wieder ein Wort, dass ich nicht schreiben möchte, aber das Buch kroch in mich hinein und lies sich nicht abschütteln. So viel sich klärt, bleibt doch einiges offen. Das ist völlig okay, weil sich uns die Geschichte und auch andere Menschen nie ganz erschließen. Doch über Gyeongha hätte ich gerne noch etwas mehr erfahren, denn diese Lücken hätten sich gut schließen lassen, schließlich erzählt sie uns ja die Geschichte. Vielleicht wäre die Wucht des Schlusses dann noch stärker gewesen.
Der Schluss, bei dem die Fäden zusammenlaufen, und doch noch weiterweisen.
Aber wegen Gyeonghas Geschichte schwanke und zwischen 4 und 5 Sternen. „Die Vegetarierin“ ist im Vergleich dazu das wuchtigere Werk, weil in sich geschlossener, auch formal. Aber hier in „Unmöglicher Abschied“ wirken die subkutanen Elemente irgendwie noch heftiger.
Kangs Werke sind ein Erlebnis – und die Übersetzung von Ki-Hyang Lee eine Wucht. 4,5 von 5 Sternen und eine große Empfehlung. Ich würde allerdings bei Kang empfehlen mit „Die Vegetarierin“ anzufangen und vergebe eine Triggerwarnung für beide Bücher für diverse Traumata.
Han Kangs Art zu schreiben ist einfach unvergleichlich. Niemand sonst schafft es so harte Themen in so zarter, schöner Sprache und derart erschütternde tiefgreifende Geschichten einzuflechten. Aktuell eine meiner Lieblingsautorinnen.
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Eine bewegende Reise in die Vergangenheit und in die eigene Seele
Bewertet: eBook (ePUB)
In „Unmöglicher Abschied“ erzählt Han Kang die Geschichte einer tiefen Freundschaft, eines verdrängten Massakers und einer Frau, die sich ihren eigenen Ängsten stellen muss.
Gyeongha lebt zurückgezogen, gefangen in ihrer Isolation, bis ein Anruf ihrer alten Freundin Inseon sie nach Jeju führt. Dort trifft sie nicht nur auf die Schatten der Vergangenheit, sondern auch auf die schmerzhaften Erinnerungen eines historischen Verbrechens. Die düstere Atmosphäre und der poetische Schreibstil machen diesen Roman zu einem intensiven Leseerlebnis.
Han Kang verwebt persönliches Trauma mit kollektiver Erinnerung und stellt die Frage, wie wir mit dem Schmerz der Vergangenheit umgehen. Ein leises, aber eindringliches Buch, das lange nachhallt.
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