„Vielleicht dreht sich das Leben ja darum, welche Geschichte wir beschließen zu erzählen.“ – Der neue Roman von Marente de Moor
Manchmal klingt es wie Trompetenstöße. Dann, „als würde Gott Möbel verrücken“. Die seltsamen Geräusche, die seit einiger Zeit am Himmel zu hören sind, verheißen nichts Gutes. Aber wann war es das letzte Mal gut, denkt Nadja. Was ist geblieben von dem Leben, das sie und Lew, ein idealistisches Zoologenpaar, sich in der Einsamkeit der westrussischen Wälder aufbauen wollten. Denn mit den Geräuschen kommen auch die anderen, dunklen Erinnerungen. Unverhohlen erzählt Nadja ihre verhängnisvolle Geschichte. Doch kann man ihr trauen? Ein flirrendes psychologisches Verwirrspiel, fesselnd bis zur letzten Seite. So sinnlich wie subtil dringt es in die dunklen Seiten der Natur und des Menschen.
Das Buch spielt in Russland und so kommt es auch entsprechend düster, schwermütig und von Märchenhaften durchdrungen daher.
Nadja erzählt von ihrem Leben, ihrem Alltag, was es bedeutet Russin zu sein, den Menschen, die aus ihrem Leben verschwunden sind und denen, die geblieben sind. Und hinter all dem ist etwas versteckt, das sie nicht erzählen will.
Ihr Blick ist wütend, oft depressiv, dann wieder verletzlich - ihre Sprache außergewöhnlich, voller eindrücklicher Bilder und einfach wunderbar. Doch für mich reicht die schöne Sprache nicht aus, um aus ihrer Geschichte einen Lesegenuss zu machen. Ich musste tief in Nadjas unstrukturierte Gedankenwelt eintauchen, suchte nach Hinweisen auf eine Geschichte, suchte den Kern ihrer Erzählung. Schale für Schale, Häutchen für Häutchen betrachtete ich Nadjas Gedanken, prüfte sie auf ihren Wahrheitsgehalt, suchte die Zwischenräume ab und musste mir meine eigene Wahrheit zusammenreimen, auf der Suche nach der Geschichte hinter all diesen Gedanken. Die Hinweise am Ende, die von außen gereicht werden, reichen nicht aus für all meine Fragen.
Die Autorin hat sich die Mühe gemacht, die Verzweiflung eines Menschen in all seinen Facetten zu zeigen. Ich spüre diese Frau, die mit einem Trauma kämpft. Die daraus resultierende Verdrängung haben Nadja zu einem Menschen jenseits der Realität werden lassen. Manches Mal war ich fasziniert von ihrer Stärke, manchmal erschrocken vor ihrer Garstigkeit, dann wieder vor ihrer Einsamkeit. Mit aller Macht drängt Nadja Erinnerungen zur Seite, färbt sie ein, verzerrt sie und gibt sie als unscharfes Dia zurück.
Es gab so viel zu interpretieren und kaum Hinweise, dass man in die richtige Richtung marschiert. Vielleicht gab es auch gar kein Richtig und Falsch. Sondern nur einen undefinierten Dschungel aus Worten, der immer wieder andere Facetten zeigte, je nachdem welchen Pfad man einschlägt. Am Ende blieb ein Haufen Gedanken mit dem Geschmack eines Unglücks. Es war Schwerstarbeit mit dem Gefühl, etwas Unbekannten ganz nah gekommen zu sein.
Fazit: Viele interessant duftende Häppchen in einer dunklen Hülle werden in einer wunderbaren Sprache gereicht – doch satt bin ich am Ende nicht.
Spurensuche
Bewertung am 02.11.2021
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
In diesem Buch geht es um Spuren. Darum Spuren zu hinterlassen und Spuren zu lesen. Auch ich, als Leser, muss genau hinschauen, um das Buch erkennen zu können.
Der Roman spielt in der Wildnis Russlands. Dort lebt Nadja mit ihrem verwirrten Mann als Letzte in einem verlassenen Dorf. Früher waren sie Biologen, hatten eine Wildtierauffangstation mit Babybären und europäischen Freiwilligen. Jetzt ist nur noch eine bedrückende Monotonie und Einsamkeit geblieben. Nadja steht in ihrem Leben und untersucht die Spuren, die geblieben sind. Spuren vergangener Träume und Fehler, Spuren Gottes, Spuren geliebter Menschen, Spuren der Zeit und unkenntliche Spuren der Rätsel, die ihr Leben jetzt vereinnahmen.
Es ist ein zutiefst nachdenkliches Buch, das nach einer Haltung zu Russland, der Natur, der Gesellschaft und der Liebe sucht. Zentrale Metapher sind dabei die Spuren, die die Menschen in der wilden Natur hinterlassen und so Wege vorzeichnen und nachverfolgbar machen.
Ich fand den Schreibstil toll. Die Geschichte begeistert mich immer wieder mit gewitzten Sätzen, einzigartigen Blickwinkeln und atmosphärischen Beschreibungen. Die Erzählung sorgt dafür, dass ich weiterlese, auch wenn die Handlung mich beim Lesen immer mehr verlor.
Das Geschehen im Buch konnte mich nicht begeistern. Vieles ist profan, nebensächlich und wiederholt sich, manches ist zu konstruiert und vor allem bleibt ein Großteil auch nach der Lektüre noch im Unklaren. Leser dieses Buches müssen also vor allem an Lebensweisheiten, besonderen Beobachtungen und einer talentierten Schreibe interessiert sein.
Mir hat dabei gefallen, wie ich mit auf Fährtensuche genommen wurde. Nur verliefen mir am Ende zu viele Spuren im Sand. Ich wurde für meine Mühen nicht ausreichend belohnt. Das Buch verschwamm für mich zu einem unerklärlichen Durcheinander. Ich hätte mir gewünscht, dass mich das Buch zu einem klaren Ziel führt und sich mein Spurenlesen gelohnt hätte.
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'Phon' ist ein schwer zu durchdringendes und teilweise schwer zu verstehendes, aber sprachlich großartiges, ganz besonders eindrücklich erzähltes Buch. Es geht um das Zoologenpaar Nadja & Lew, das seit fast dreißig Jahren in den Wäldern der russischen Provinz lebt, jetzt zurückgezogen und isoliert. Lew scheint abzugleiten in die Demenz und manchmal ist ein merkwürdiges Himmelsgeräusch „Phon“ zu hören.
Nadja erinnert sich, wie aus ihnen einst ein Paar, dann eine Familie wurde und wie es damals zu dem tödlichen Unfall mit einem Bären kam. Manchmal verlor ich mich in Nadjas schwermütigen Erinnerungen und manchmal verloren mich ihre Erinnerungen, die keiner Chronologie folgten. Doch was geschah damals wirklich?
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Marente De Moor ist die Tochter der berühmten niederländischen Schriftstellerin Margriet De Moor. Schon ihre Großmutter väterlicherseits war Schriftstellerin und gewiss ist es nicht ganz leicht mit diesem 'Erbe' selbst schriftstellerisch tätig zu sein. Doch Marente De Moor beweist in ihren Romanen, dass sie einen ganz eigenen Ton, einen eigenen literarischen Stil gefunden hat, mit dem sie mich in ihrem neuen Roman 'Phon' restlos begeistert hat. Lange habe ich nichts mehr gelesen, das mich sprachlich und atmosphärisch so begeistert hat. Dabei wirkt die Geswchichte um Lew und Nadja düster, ist bisweilen etwas sperrig und überlässt sehr viel der Phantasie der Leser*innen. Doch genau darin liegt auch der besondere Reiz dieses aussergewöhnlicheh Romans.
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