»Eine Frage der Chemie« stürmte weltweit die Bestsellerlisten und begeisterte Leser:innen und Kritiker:innen gleichermaßen. Bonnie Garmus’ Schlüssel zum Erfolg für ihr hinreißend erzähltes, ja vielleicht sogar weises Buch lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: Elizabeth Zott. So heißt ihre Heldin, die allen Widerständen ihrer Zeit zum Trotz Chemikerin werden will. Sprühend vor Originalität und Sprachwitz gelingt es Bonnie Garmus, unseren Verstand und unser Herz zu erobern – und das nicht zuletzt mit einem Hund namens Halbsieben, der den Roman mit großer, heiterer Lebensklugheit erfüllt.
Enttäuschend mit einem haarsträubenden Deus-ex-Machina-Ende
NoraStorm am 09.04.2025
Bewertungsnummer: 2462239
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Ein Kapitel meiner Promotion widmete sich Rosalind Franklin, der Mitentdeckerin der DNS, und daher war ich anfänglich fasziniert von Elizabeth Zotts Leben als Chemikerin in den 50er/60er Jahren. Zotts enorme Schwierigkeiten, sich gegen Männer in Wissenschaft und Forschung durchzusetzen, nahmen mich gefangen (auch Rosalind Franklin hatte genau diese Probleme). Dass Zott sehr viel cleverer als die Männer ist und trotzdem bzw. gerade deshalb keinen Schritt weiter kommt mit ihrer Forschung, ist sehr plausibel in der damaligen Zeit und kommt überzeugend im Roman rüber.
Weniger gefallen hat mir, dass Zott leicht autistisch ist. Heutzutage mag das einen Protagonisten interessant machen, gerade in Wissenschaft und Forschung, aber in den 50ern hätte eine Frau mit solchen Verhaltensweisen und Sprachmustern nirgendwo einen Zeh auf den Boden bekommen.
Auch mit der Handlung hatte ich Probleme. Ja, es wird akribisch erklärt, wie Zott mit ihrer unehelichen Tochter finanziell die Kurve kriegt und wie sie es schafft, zur Fernsehköchin zu werden, aber plausibel war kaum etwas davon. Aber egal, ich wurde gut unterhalten und fand es wunderbar, dass Zott als Fernsehköchin/angewandte Chemikerin zu einer TV-Ikone mit enormer Reichweite wird.
Doch genau hier hat mich die Botschaft irritiert, die Elizabeth Zott aussendet: Für Frauen zur Ikone einer kochenden Chemikerin zu werden und ein Vorbild für berufliche Selbstverwirklichung zu sein, ist nicht erstrebenswert. Zott wertet ihre eigene Leistung und ihr Achievement von Anfang an ab, so als würden Wissenschaft und wissenschaftlicher Erfolg nur in einem männlich dominierten und von Männern definierten wissenschaftlichen Umfeld zählen – und Kochen als weibliche Tätigkeit in einem weiblichen Umfeld zählt anscheinend nicht dazu, selbst wenn man es fundiert mit Chemie erklärt. Diese Message fand ich sehr, sehr schade. Auch wenn Zotts TV-Show das Leben vieler Frauen verändert und ihren Horizont massiv erweitert, kann Zott selbst all diesen Effekten nichts Positives abgewinnen. Was ist die Message, die mir der Roman hier mitgeben will? Erfolg und Anerkennung in einer sogenannten Frauendomäne sind nichts wert? Es lebe das Patriarchat? Befremdlich.
Aber am Befremdlichsten war der Schluss: Zott hat ihre TV-Show gekündigt und steht vor dem Nichts, und keiner will ihr einen angemessenen Job geben.
SPOILER:
Da greift nun die Autorin zu einem Kniff aus dem Theater der Antike: Im letzten Kapitel erscheint wie aus dem Nichts ein Deus-ex-Machina (Gott aus der Maschine), also die ordnende Hand von oben, und richtet alles, und zwar in Gestalt von Calvin Evans´ Mutter. Calvin ist der verstorbene Vater von Zotts Tochter und ist selbst im Waisenhaus groß geworden, weil er als uneheliches Kind weggegeben wurde. Jetzt stellt sich heraus, dass Calvins Mutter steinreich ist und das Labor gekauft hat, aus dem Zott aufgrund ihrer Schwangerschaft geworfen wurde. Es stellt sich ebenfalls heraus, dass sie von Calvin, Zott und ihrer Tochter wusste, aber bei keinem von ihnen vorstellig wurde, weil sie es nie für erforderlich hielt. Aber jetzt, wo Zott finanziell am Ende ist, greift sie ein und verschafft Zott eine sorgenfreie Existenz in genau dem wissenschaftlichen Umfeld, das sich Zott wünscht. Also eine Dea-ex-machina, die einer anderen Frau eine Position in einer Männerdomäne erkauft, weil diese von allein es nicht schaffen würde. Welch eine Botschaft!
Dabei hat mich ein Detail nicht mehr losgelassen: Ich vermeine, im Hörbuch gehört zu haben, dass Calvins steinreiche Mutter entmündigt wurde und nur durch ihren Anwalt agieren kann, der Zugriff auf ihr Vermögen hat. Also: Eine ohnmächtige Mutter (Dea-ex-Machina) rettet eine andere ohnmächtige Mutter (Zott) und verschafft letzterer eine sichere Position im Patriarchat der Wissenschaften.
Was ist das für eine Message aus dem 19. Jahrhundert?!? Frauen schaffen es selbst nicht und sind auf göttliche Intervention angewiesen? Nur in patriarchalen Strukturen und männlichen Domänen (Forschungslabor) will sich eine intelligente Frau selbstverwirklichen? Ein wirklich enttäuschendes letztes Kapitel.
Für den megagenialen Hund Halbsieben einen Stern.
Eine fesselnde Geschichte über eine mutige Frau: Spannender Geschichtsunterricht mit köstlichem Humor und großen Weisheiten, die mich als Ende 20-Jährige auf viele verschiedene Arten und auf vielen verschiedenen Ebenen sehr berührt hat.
Eine Frau, die in den USA der 60er Jahre versucht sich als renommierte Chemikerin in dem Männer dominierten Feld zu beweisen. Ein bewegender feministischer Roman, der brutal ehrlich zeigt wie es Frauen in der wissenschaft ergeht...
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Elizabeth Zott ist meine absolute Lieblingsfigur!
Eine starke, eigensinnige und witzige Frau, die mich begeistert und mitgerissen hat, weil sie unbeirrt ihren Weg geht. Egal, wieviel Hindernisse sie dabei zu überwindern hat.
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