Nahe Familienmitglieder sterben, der Welt geht es auch nicht so gut, das letzte Glas Alkohol wird getrunken und die letzte Zigarette geraucht. Und doch färbt Martin Suter sich noch immer nicht die Haare. Wer auch in schwierigen Situationen und Kippmomenten des Lebens noch lacht, meint es wirklich ernst mit dem Humor.
„»Supervision«. Eigentlich genau das, was auch wir beide ständig miteinander machen.“
Bewertung aus Bamberg am 07.01.2025
Bewertungsnummer: 2380689
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
„»Supervision«. Eigentlich genau das, was auch wir beide ständig miteinander machen.“
Wie schon im Vorgängerbuch „Alle sind so ernst geworden“ erstreckt sich das Repertoire der vorliegenden Gespräche über vielfältige Themen hinweg, die mal banal daherkommen und dann doch wieder tiefergehend ausfallen. Es geht über die persönliche Beziehung zu Blumen oder Sehtests, den Ursachen von Albträumen und der eigenen Wahrnehmung von Eitelkeit. Aber auch bis hin zu Fragen, die das gesellschaftliche Leben, hinsichtlich des Umgangs mit Rauschmitteln – besonders Alkohol und Zigaretten – bestimmen sowie die Wahrnehmung Außenstehender auf diese freiwillige Abstinenz.
In dem Buch ist viel geboten, doch Langeweile kommt niemals auf!
Annähernd alle Gespräche überschattend ist nicht nur der Tod von Martin Suters Frau Margrith, sondern insbesondere seine fortdauernde Liebe zu ihr. Doch auch Stuckrad-Barre wird mit einem familiären Todesfall regelrecht konfrontiert, schließlich erfährt er zufällig, durch eine Direct Message eines ihm Unbekannten auf Instagram, vom Tod seines Vaters. Spätestens bei dem Gespräch über diesen Verlust und das Verhältnis zu seinem Vater wird deutlich, dass dieses Buch durchaus nicht nur durch seinen humorvollen Witz brilliert, sondern gleichermaßen den Bogen zu ernsten Themen spannen kann.
Man erfährt nicht nur mehr über die beiden Autoren, sondern auch über sich selbst.
Auch wenn die Gespräche nur in gedruckter Form vorliegen, hört man beide, als säßen sie neben einem, in gewohnter Manier vor sich hin sprechen. Während sie sich in humorvollen, teils ironischen und tragikomischen Diskussionen verlieren und sich selbst dabei niemals zu ernst nehmen, genoss ich es sehr, ihnen zu lauschen.
Gerne hätte ich noch weiter gelesen und mehreren Gesprächen zugehört, aber nun überlasse ich – sehnsüchtig auf einen dritten Band hoffend – Benjamin von Stuckrad-Barre das Schlusswort:
„Ich finde die Gewissheit ganz schön, auch erleichternd, dass irgendwann Schluss ist.“
Stell dir vor, du sitzt in einer gemütlichen Küche. Der Geruch von frischem Kaffee liegt in der Luft, und am Tisch sitzen zwei Männer, die du seit Jahren bewunderst. Sie plaudern, lachen, philosophieren, und du hörst gebannt zu. So fühlte es sich irgendwie an, als ich „Kein Grund, gleich so rumzuschreien“ anfing.
Martin Suter sitzt da, entspannt, die Haare wie immer grau – er färbt sie nicht, das macht er im Buch auch deutlich. Neben ihm Benjamin von Stuckrad-Barre, ein Mann mit scharfem Witz und klugen Gedanken. Die beiden reden über alles: den Verlust naher Menschen, die letzten Zigaretten und der letzte Alkohol, über die großen und kleinen Brüche des Lebens. Sie streifen Melancholie, ohne darin zu versinken, und lachen dort, wo andere vielleicht den Kopf schütteln. Es ist nicht nur eine Unterhaltung. Es ist, als würde ich mittendrin sitzen, nicht als stiller Beobachter, sondern als Teil dieses Moments. Die Dialoge springen von heiteren Anekdoten zu tiefen Reflexionen, und ich ertappe mich dabei, wie ich zustimmend nicke, manchmal sogar laut auflache.
Ich habe Stuckrad-Barres Werke immer geliebt. Sein Wortwitz, seine Schlagfertigkeit, diese Fähigkeit, ein Gespräch so lebendig zu machen, dass man sich ihm nicht entziehen kann. Aber hier, zusammen mit Martin Suter, wird es zu etwas Größerem. Es ist die perfekte Balance aus Humor und Ernst, zwischen unbeschwerter Plauderei und Momenten, die mich innehalten lassen. Manche Passagen fühlen sich an wie ein Spiegel. Was mache ich mit den Kippmomenten meines Lebens? Kann ich, wie sie, trotz allem lachen? Und dann ist da diese Leichtigkeit, die trotz allem in ihren Worten liegt. Eine Leichtigkeit, die Mut macht.
Natürlich, wird das Buch ist nicht jedem gefallen. Wenn du die beiden nicht magst oder nichts mit ihrem Stil anfangen kannst, wirst du hier definitiv nicht fündig. Aber wenn du, wie ich, Fan von Stuckrad-Barre bist, wirst du dieses Buch verschlingen, ganz sicher.
Der Kaffee ist inzwischen leer, und die beiden Männer stehen auf, verabschieden sich. Was bleibt, ist ein tolles Gefühl, zwei fantastischen Autoren gelauscht zu haben. Es fühlt sich an, als hätte ich etwas mitgenommen – nicht nur ihre Geschichten, sondern auch ein Stück ihrer Lebensart. Sicherlich kein gewöhnliches Buch, das dürfte klar sein, doch ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt und hoffe, dass die beiden nachlegen werden.
10/10 Leseempfehlung
Intelligente Gespräche mit Witz und Charme über lustige und ernste Themen.
Zwei wundervolle Autoren die, auch in diesem zweiten Band, viel über sich und ihre Gedankengänge preisgeben.
Ich habe die Lektüre sehr genossen.
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»Kein Grund, gleich so rumzuschreien« bleibt der erzählerischen Form von »Alle sind so ernst geworden« treu, ist in seiner Gesprächs-Buchführung aber deutlich feinfühliger als sein unpopulärer Vorgänger. Fast jedes Kapitel bietet neben der zu erwartenden Sprachakrobatik auch interessante Einblicke in die Oberstübchen der beiden Schriftsteller. Deren Eloquenz muss man sich als sprachliches Skalpell vorstellen, mit dessen Hilfe Gedanken und Gefühle trennscharf seziert werden. Suter und von Stuckrrad-Barre fassen das eigene Erleben so fein nuanciert in Worte, dass einem als weniger Sprachbegabtem begeistert die Ohren schlackern. Bei alledem bleibt der Titel stets auf Augenhöhe mit den Lesenden, sodass wir uns problemlos in die Stimmungen einfühlen können, die das Buch uns anbietet. Natürlich kann man »Kein Grund, gleich so rumzuschreien« für seine trivial anmutende Themenauswahl kritisieren, die erst durch Gedankensprünge und inhaltliche Abzweigungen ihren Zauber entfaltet. Trotz aller Sprachverliebtheit lässt sich zudem nicht leugnen, dass die Ausdrucksweise der beiden Schriftsteller zuweilen ein wenig weltfremd daherkommt. Doch genau DAS ist mMn. Teil des Konzept, das »Kein Grund, gleich so rumzuschreien« zu so einem unterhaltsamen Buch macht. Der Titel hat mich zu keiner Sekunde gelangweilt und darüber hinaus - zu meiner großen Überraschung - auch emotional mitgerissen.
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